"Blavatzkys Kinder" - Teil 7 (Krimi)

Teil 7

Der Wagen fuhr bereits um die Straßenecke, als Soliza merkte, daß der Durchschlag des Vertrages kaum Informationen enthielt. Die versprochene Adresse war nur die eines Büros in Bukarest. Soliza und Ana rannten dem Auto nach und schrien und schrien, aber der Wagen beschleunigte; dann bog er am Ende der langen Straße auf die Schnellstraße ab.

Am nächsten Tag suchten sie Jozef Gafita, den Makler des Handels. Er war wie vom Erdboden verschluckt. Seine Werkstatt hatte er so, wie sie war, verlassen. Er war wohl reich geworden.

Das im Vertrag angegebene Büro in Bukarest existierte nicht. Im Polizeipräsidium verjagte der Pförtner sie. Ein freundlicher Mann, dem ihre Verzweiflung auffiel, hatte von einem solchen Kinderraub schon einmal gehört.

„Sie fahren meistens über Ungarn, diese Verbrecher. Wenn ich jünger wäre, würde ich euch helfen. Fahrt nach Budapest, und sucht von dort aus weiter.“

Ana verlor alle Hoffnung, Diwnas je wiederzusehen. Soliza verließ Bukarest und schloß sich anderen Roma an, die heimlich die Grenze nach Ungarn überquerten. Nach zwei Wochen erreichte sie Budapest.

Sie lernte weitere Roma kennen und hörte von ihnen immer wieder, daß Kinder nach Österreich und Deutschland verschleppt wurden. Wäre es nicht das beste, sie würde in diese Länder fahren? Gafita und der Mann mit dem Auto waren bestimmt schon über die Grenze. Was sollte sie noch in Budapest?

„Es gibt eine Organisation, die dich über die Grenze bringen kann“, sagte eine alte Frau. „Aber es ist sehr teuer. Und wie willst du die Kinder finden? Vorher erwischt dich die Polizei.“

Soliza besaß noch fast das ganze Geld, das sie für Rjako bekommen hatte, und Ana hatte ihr die Hälfte vom Kaufpreis für Diwnas mitgegeben. Die andere Hälfte brauchte sie für die Familie. Soliza beschloß, mit den Leuten zu reden, die den Weg über die Grenze kannten.

In dem Café, das man ihr als Treffpunkt genannt hatte, entdeckte sie einen Mann, den sie nur zu gut kannte. Seine hastigen Gesten, die Kopfform, das Profil. Jozef Gafita. Er redete mit zwei Männern. Sie wartete vor dem Lokal und beobachtete ihn durchs Fenster. Er gestikulierte heftig. Nach einer Weile stand er auf, verabschiedete sich von den beiden Männern und verließ das Café. Soliza folgte ihm durch enge Gassen.

„Gafita!“ rief sie.

Er reagierte nicht.

Sie schrie lauter.

„Gafita, wo sind die Kinder?“

Gafita drehte sich überrascht um.

Er erkennt mich nicht einmal, dachte sie.

„Was willst du?“

„Wo sind die Kinder?“

„Welche Kinder? Ich kenne dich nicht.“

„Du hast mein Kind und das von Ana aus Bukarest nach Deutschland geschickt. Auf deinem Papier stand keine deutsche Adresse. Wo sind die Kinder?“ Sie klammerte sich an seine Jacke.

„Laß mich los, blödes Weib.“

„Wo sind die Kinder?“ schrie sie verzweifelt.

„Du hast sie verkauft. was für eine Mutter bist du? Es geht ihnen gut. Du hast dein Geld. Hau ab!“

Über ihnen wurde ein Fenster geöffnet. Der Mann drosch auf sie ein. Auf ihren Kopf, ihr Gesicht. Ihr wurde schwindelig. Wenn ich loslasse, werde ich Rjako nie mehr sehen. Gherge.

Der nächste Schlag traf ihre Schläfe. Das Pflaster kam auf ihr Gesicht zu. Eine Frau brüllte etwas in einer fremden Sprache.

* * *

Warum sollte sich ausgerechnet die Organisation im Zeitalter der transnationalen Konzerne auf ein Land beschränken? Selbst die Mafia hatte begriffen, daß eine neue Zeit angebrochen war. An der Spitze würde es keine Veränderung geben. Die beiden Gründer, der deutsche Deger und der US- Amerikaner Gates, würden die mächtigsten Männer bleiben.

Die Organisation kannte mindestens drei Formen der Zusammenarbeit. Die regulären Landessektionen in den USA, in Kanada, im zentralamerikanischen Guatemala, in lateinamerikanischen Ländern wie Argentinien, Brasilien, Kolumbien. Die Organisation existierte auch in Europa, dort vor allem in Deutschland, aber auch in Frankreich, England, Italien. Im Osten Europas hatten sich Untersektionen in Polen, Ungarn, Rumänien und Kroatien gebildet. Die waren jedoch noch so unbedeutend, daß Gates dem Deutschen ihre Vertretung überlassen hatte. Die russische Sektion der Organisation wuchs und würde in Kürze einen eigenen Platz in der Jahreshauptkonferenz beanspruchen. Gates wollte auch diese Entscheidung dem Deutschen überlassen, der sich dafür nur selten in seine lateinamerikanischen Entscheidungen mischte.

Fortsetzung folgt