■ Vorgespult
: Wir können nicht anders

„Realburleske“, 18.35 Uhr, Deutschlandradio Berlin

Für die zwei Weltschlitzohren in Detlev Bucks Witzfilm „Wir können auch anders“ geben schrullige Ostgesichter oft nur die Kulisse ab: Eine Oma stiert durch ihre Fensteridylle, Opas lungern im Blaumann auf der Dorfbank, und die Jugend rülpst am Straßenrand. Mit seiner Wende-Chaplinade gibt Rolf Gozell jetzt den Blick hinter die Fassaden frei. Wir machen Bekanntschaft mit Familie Krebs, die bescheiden ihr Leben lebt und den kleinen, alltäglichen Ärger pflegt: „Immer wenn's Essen auf'm Tisch steht, geht alles hinaus in die Welt.“ Eines schönen Tages überfällt sie ein Unwetter, wie es keines gab, „seit wir unseren Kaiser hatten, den mit dem Bart“ (meint Großvater Krebs). Die Bauersleut' ducken und fürchten sich. Sie reden durchweg in einer stark rhythmisierten Kunstsprache, die uns an Fassbinders bayerische Thriller erinnert. „Gut, daß die Stube drinnen ist“, meint Krebs-Kind sinnig, als ihm das furchtbare Wetter die Brautschau versaut. Aber kaum ist der Sturm vorbei, stehen sowieso wichtigere Dinge an. Denn: „Es scheint, man hat eine neue Obrigkeit.“ Dieser Wechsel stellt die Welt auf den Kopf. Die gute Bauernschläue hat scheinbar ausgedient, Verwirrrung beherrscht den Hühnerhof. Alles scharrt nach Bereicherungstricks, plustert sich, läuft gackernd auf und davon. Slapstickhaft zeigt Gozell, wie sich die Marktwirtschaft als Bauernfängerei anläßt. Dabei wird die Sprachgroteske von der gewitzten Regie getragen, die mit herrlich übertriebenem B-Picture-Sound die knarrende Tür zur neuen Welt öffnet und schließt. Auch die verzerrt-schräge Blasmusik haut kräftig auf die Kacke, als Krebs-Kind marktwirksam „Pigshit brutal“ verkauft. Der komische Wettlauf um die Mark erreicht in Krebs-Vaters Selbsternennung zum „Doktor Allwissend“ einen Höhepunkt. Dann meckert der Opa: „Immer was Neues – nie was Gscheits.“ Schon wegen solcher Sinnsprüch' muß man das Stück hören. Sie geben dem deftigen Hörspiel auch einen archaischen Tupfer, über den wir stolpern – und lachen.Gaby Hartel