Durchs Dröhnland
: Die richtige Tasse Tee

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Freunden von zuletzt etwas aus der Mode gekommenen Pillen wird kurz vorm Sommerloch noch eine Möglichkeit zur abendlichen Bewußtseinserweiterung geboten. Die Mandra Gora Lightshow Society schmückt sich mit einem Zitat von Syd Barrett, ihr Soundmann beschallt nicht einfach einen Raum, sondern schafft ein „Quadrophonic Soundenvironment“, und für die Beleuchtung steht gleich eine eigene Abteilung zur Verfügung, die den vielversprechenden Namen „The Enchanted Garden of Lights“ führt. Unsere deutschen Traditionswahrer tragen dazu wahlweise konsequent Schwarz inklusive Sonnenbrille oder überbunte Joppen und spielen einen kindlichen Gitarrenpläng voller eingängiger Melodeien. Der Organist läßt die Finger über seine Tasten huschen, daß man mit dem LSD-Nachschieben gar nicht mehr hinterherkommt. Auch ausufernde Solieinlagen dürften zu fortgeschrittener Stunde nicht mehr verhindert werden können.

Eingestimmt auf den Chemieunterricht wird das Publikum durch einen halbstündigen Animationsfilm aus der Schweiz. Uwe Jäntsch hat viele Bilder gezeichnet, und „Fish Pills“ handelt nun davon, wie „Autos samt Fahrer zu Klumpen verdichtet, zusammengeschweißt und als handliche Tabletten in die Hölle oder zu den Fischen geschickt“ werden. Zur Vertonung hat es nicht mehr gereicht, deshalb sucht sich Jäntsch in jeder Stadt willige Musiker, die live beisteuern. Gut Pilz!

Am 30.6. um 23 Uhr im Roten Salon der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, Mitte

Viele Ethnien, reichlich verschiedene Sprachen, alle Geschlechter und auch mit den Stilen halten sich die Reality Brothers nicht zurück. HipHop auf solider Soul-Basis, Reggae, der schon mal zum Ragga werden darf, soulige Refrains und jazzige Rhythmen – die Band aus Berlin läßt kaum was aus und hat dazu einen ebenso ausgesuchten Sinn fürs Machbare wie fürs Verkäufliche. Der baldige Erfolg dürfte unvermeidlich sein.

Am 30.6. als Vorgruppe von Incognito im Tempodrom, In den Zelten, Tiergarten

Nadja Petrick setzt sich auf einen Barhocker, läßt ihre Band ein paar dürre Tönchen spielen, erzählt mehr, als daß sie singt, und besetzt so auch noch eine der letzten männlichen Schutzgebiete. Refugien, die von den Dylans und Waits abgesteckt wurden, damit sich das Wesen Mann mal ein bißchen ausheulen kann, mit Stimmbändern, denen Rauchen und Alkohol nicht gut bekommen ist, und einem Herz, das eh nicht mehr enttäuscht werden kann. Und die Berlinerin Petrick beherrscht die Geste ebenso souverän wie ihre männlichen Lehrmeister, auch wenn ich von den englischen Texten kein Wort verstanden habe. Aber das Nuscheln gehört halt dazu.

Am 1.7. um 22 Uhr im Franz, Schönhauser Allee 36–39, Prenzlauer Berg

Es war ruhig geworden um die Slags. Der Ausflug zu einem Major-Label war den vier Frauen zwischenzeitlich nicht gut bekommen, ihr Sound wurde glattgespült, wohl weil Sony glaubte, eine deutsche Alternative zu den Bangles aufbauen zu können. Das war noch vor der Riot-Girl-Manie und den damit verbundenen Verdienstmöglichkeiten, also suchten sich die Slags eine Independent- Firma und machen nun statt dessen L7 Konkurrenz.

Ihre letzte Veröffentlichung besteht bis auf einen eigenen Song ausschließlich aus Coverversionen, die ihre Einflüsse programmatisch abdecken. Die rüden Sonics hörte man schon immer durch, Neil Young und David Bowie auch ein wenig, die Beatles (gleich zweimal) überraschen dann doch, aber Van Morrison ist überraschenderweise doch nicht mal so fehl am Platz.

„Strychnine“ hat man zwar schon mal besser gehört, aber dieses Prunkstück wurde ja auch schon totgecovert. Jenseits von ideologischen Auseinandersetzungen um Frau sein und Rock spielen, für die sich die Slags noch nie interessiert haben, ist das immerhin ein Neuanfang. So sind sie, was sie sind: eine gute, wenn auch recht altmodische Rockband mit einem peinlichen Hang zur Mystifizierung von Drogen.

Am 2.7. um 22 Uhr im Pfefferberg, Schönhauser Allee 176, Prenzlauer Berg

Nicht nur eine der letzten Hoffnungen des Hardcore, vielmehr sogar die letzte Hoffnung auf eine bessere Welt. Und der lebende Beweis, daß man p.c. sein kann und nicht doof sein muß. Müßte ich mich für eine beste Band der Welt entscheiden, bekämen Fugazi den Titel, damit der Schlaf wieder friedvoller kommen mag.

Am 2.7. um 21 Uhr in der Alten Tu-Mensa, Hardenbergstr. 34, Charlottenburg

Der gute Mark Griffin ging als rechter Egomane in die Geschichte des HipHop ein, aber das ist – seit es die Technik erlaubt, nahezu alle Vorstellungen per Tastendruck im Wohnzimmer zu vertonen – ja auch keine Seltenheit mehr. Und im Texanischen ist es über weite Strecken auch recht menschenleer.

Zuletzt wurde es unserem Freund, der allgemein eher als MC 900 Ft. Jesus bekannt ist, aber wohl doch gar zu einsam, und für seine letzte Platte holte er sich allerlei Freunde ins Studio, darunter einige große Namen des Jazz und Vernon Reid, jener Flinkfinger, der unter anderem die Gitarre bei Living Colour bediente. Die addierten zu seinen markanten Horrorhörspielen, dominiert von Sprechgesang und fröstelnden Stimmungen, eine überaus entspannt dudelnde Rhythmusunterlage.

Am 3. und 4.7. um 21 Uhr im Knaack, Greifswalder Str. 224, Prenzlauer Berg

Ihr Surfsound ist klapprig und hätte allzu gut auf den „Pulp Fiction“-Soundtrack gepaßt. Die Gitarren dängeln und jubilieren, und keine Stimme verwässert den sonnigen Gesamteindruck. Man... Or Astroman? umgeben sich mit einer freudig zusammengefingerten Ideologie, die sie aus angestaubten Science-fiction- B-Pictures entnommen haben, und machten ihr trübes Leben im trüben Auburn, Alabama, erträglicher, indem sie sich einbildeten, sie seien Außerirdische. Wer sich jetzt fröhlich an Trash, die „Back from the Grave“-Compilations, The Cramps und ihre Vorliebe für B-Horror erinnert, hat seine Tasse Tee gefunden.

Am 4.7. um 21 Uhr im Huxley's Junior, Hasenheide 108–114, Neukölln

Komischerweise tauchen die Beatles, als offizieller Einfluß heutzutage eigentlich fast verschwunden, in dieser Rubrik gehäuft auf. Aber an den Liverpoolern kommt man bei Martin Newell nicht vorbei, wurden seine Cleaners of Venus doch gerne als Comic-Version der Fab Four eingeordnet. Schon seit längerem ist der gute Mann solo unterwegs und eigentlich zu alt, noch Pop zu machen. Deshalb hat er sich für diese Tour Leidensgefährten geholt, so zum Beispiel Dave Gregory von XTC, die den Beatles ja auch sehr nah waren. Mit denen spielt er nun seine behutsamen Popsongs, die vom englischen Wortwitz und klassischer Melodieauswahl leben.

Am 4.7. um 20.30 Uhr auf der Insel, Alt-Treptow 6, Treptow Thomas Winkler