Sanssouci
: Nachschlag

■ "Geschwister": Klaus Mann in der Jugendbühne Stückwerk

Ehrfürchtig ist der Ton, Sentimentalität hängt in dem ganz in schwarz-weiß gehaltenen Bühnenraum. Selbst die Kostüme halten sich an diesen farblosen Kontrast. Fast schon ist man geneigt, die Aufführung als dekadent-hybride Aneignung eines vergessenen Stückes abzutun. Kraftlos, ohne eigenen Zugang versucht sich wieder einmal eine Off-Gruppe, hier auch noch eine junge Laientruppe, an einem wohlklingenden Namen. Klaus Mann muß dieses Mal herhalten. 1930 hat er die „Geschwister“ nach Cocteaus „Les Enfants Terribles“ dramatisiert, Schwester Erika spielte die Hauptrolle der Uraufführung in den Münchener Kammerspielen. Therese Giehse stand ihr zur Seite – dennoch ein „geräuschvoller Durchfall“, wie sich Klaus Mann in seinem „Wendepunkt“ erinnert.

„Geschwister“ ist ein leicht pathetisches Stück um eine subtile Geschwisterliebe, versetzt mit dezent morbiden bis absurden Phantasien sowie mit homoerotischem Beigeschmack. Paul und Elisabeth haben sich in ihrem Zimmer eine Spiel-Traumwelt eingerichtet, die nur ihre Freunde Agathe und Gérard betreten dürfen. Kleine Bohemiens werden hier gezeichnet, die sich der täglichen Arbeit und dem Erwachsenwerden verweigern und im Freitod Hochzeit feiern. Seit den fünfziger Jahren wurde das Stück nicht mehr aufgeführt; zu Recht, denkt man zu Beginn der Aufführung. Doch dann schleicht sich eine geheimnisvolle Atmosphäre ein, die die jugendlichen Schauspielerinnen und Schauspieler reizvoll herunterspielen: Das absurde Spiel erscheint so „natürlich“ wie sturmdrängendes Fan-Verhalten. Die „Kroxe“ besetzt die Gedankenwelt dieses Quartetts, eine Art Göttin, Sinnstifterin und gestrenge Aufseherin. Auch Dargelos Geist lebt in diesem Raum, ein einstiger Freund Pauls, der ihn mit einem Stein-Schneeball so schwer verletzte, daß Paul seitdem fast als „klinischer Fall“ zu gelten hat.

Spannung erhält das Stück auch durch autobiographische Parallelen: Die symbiotische Geschwisterbeziehung verweist auf Klaus und Erika, in Agathe und Gérard lassen sich Pamela Wedekind und Gustaf Gründgens erkennen, die mit den Manns zeitweilig eng befreundet waren. Die Berliner Erstaufführung in der Regie von Rieke Eckermann (einst Mitglied der Pantomimengruppe des DT) läßt die Aura dieser Zeit stark anklingen und spielt sich bis zur Pause in einen melancholischen bis heiteren Spannungszustand. Vor allem die in Liebe zu Paul entflammte Agathe (Katrin Engel) ist ein hinreißend zerbrechlich-zartes Geschöpf. Musik und ein wohlgesetzter Lichtwechsel forcieren die Handlung, lassen die kleinen, noch unerfahrenen Gesten vergessen. Nach der Pause aber lassen Spannung und Konzentration wieder nach: Hölzern hält sich das Quartett an das Sicherheitsnetz der Regievorgaben, das Ende ist bitter und endlos. Petra Brändle

Weitere Aufführungen heute und morgen, 20 Uhr, Jugendbühne Stückwerk, Rungestraße 20, Mitte.