Keine Chance für Zwischentöne

■ Das ARD-Forum '95 zum Thema "Massenware Information" betrieb mehr Politik als Information

Man hatte uns in die SFB- Studiodekoration von Dieter Hildebrandts „Scheibenwischer“ geladen. Allerdings steht zu befürchten, daß der kabarettistische Verlauf der Veranstaltung dann doch unbeabsichtigt war.

Zum zweiten Mal lud die ARD anläßlich ihrer Intendantentagung in Potsdam zum Forum '95. Thema des Tages: „Massenware Information. Keine Chance für Zwischentöne?“ „Wir wollen uns auch etwas sagen lassen, daher der Name ,Forum‘“, erklärte ARD-Vorsitzender Albert Scharf den anwesenden „Medienfachleuten“, die dann aber doch kaum zu Wort kamen. Allzu gerne diskutierte die illustre Runde unter sich. Neben Tagesthemen-Redakteurin Sabine Christiansen, SFB-Hausherr Günther von Lojewski und BR-Fernsehchefredakteur Gerhard Fuchs nahmen nur zwei eher schwache Vertreter der Gegenseite auf dem Podium Platz: Denn Heiner Bremer (RTL-Nachtjournal) gilt gemeinhin als der Öffentlich-Rechtliche unter den Privaten. So mußte also Rainer Laux („Die Reporter“, Pro7) allein das böse andere repräsentieren: das massenwirksame Infotainment.

Der letzte im Bunde, Politologe und Sachbuchautor Christian Graf von Krockow, referierte eingangs über die Programmwoche von 6. bis 11. Juni und ließ sich neben der erwartbaren Forderung nach mehr seriöser Hintergrundberichterstattung zu drei unerwartbaren Bekenntnissen hinreißen: Nach einem langen, schweren Arbeitstag entspannt sich der 68jährige gerne mit MTV, „weil das gar kein richtiges Programm ist“. Im aktuellen ARD-Programm vermißt er schmerzlich die alten TV-Größen wie Peter von Zahn oder Georg Stefan Troller. Und Graf von Krockow ist kein „Partygänger“. Weswegen er naturgemäß mehr mit den überschaubaren Talkrunden Alfred Bioleks anfangen kann als mit den hastigen Rein-raus-Infotainment-Shows der Privaten.

Sein Tip an die Runde der Macher, „einen Hauch von Ironie“ in ihre Infosendungen einzubauen, verhallte an diesem Tag ungehört. Zu ernst ist die Lage der ARD, die zwar mit ihren Nachrichtensendungen „Tagesschau und „Tagesthemen“ immer noch Marktführer ist, deren Politmagazine und Infotainment-Shows à la „Brisant“ aber zu wenig Quote machen – vor allem bei den Jugendlichen. So wird derzeit intern wieder diskutiert, was schon mehrfach öffentlich(-rechtlich) erwogen wurde: zwei der sechs ARD-Politmagazine abzuwickeln. „Kontraste“ (SFB) und der „Report aus Baden- Baden“ (SWF) sollen einem neuen vereinheitlichten Sendeplatz geopfert werden.

Das „Prinzip Windrose“, dem zufolge jede ARD-Himmelsrichtung mit je einer Sendung repräsentiert sein soll, stößt natürlich auf Widerstand bei den Betroffenen. Hatte man das Forum vielleicht nur einberufen, um der Schlagzeile „ARD killt ein Drittel ihrer Politmagazine!“ zuvorzukommen? Jedenfalls war die einzige News des Tages schon in der vorab überreichten Pressemappe zu finden: Der Informationsanteil im Ersten beträgt 39 Prozent, in den Dritten sind es sogar 60. Für RTL und Sat.1 errechnete man je 19 Prozent, für Pro7 nur 5. Mit dem Konkurrenten ZDF wollte man sich wohl nicht auseinandersetzen. Hier fehlten die Zahlen. Warum wohl?

Wissend, aber nicht eben glücklich nickten die ARD-VertreterInnen zustimmend, als Heiner Bremer seinem Kollegen Laux beisprang und dessen Quoten-Erfolg mit dem schlichten Hinweis erklärte, „Tiere, Menschen, Sensationen“ funktionierten eben immer. Als Bremer dann aber fortfuhr, auch die ARD würde sich so manches Feature wohl nicht mehr leisten können, wenn die Acht- Uhr-Werbegrenze einmal gefallen sei – da nickte die Runde ein zweites Mal traurig.

Die eigentlich an der ARD nagenden Strukturprobleme wurden sorgsam klein gehalten. Statt am stattlichen Info-Schlachtschiff Tagesthemen herumzuschrauben („Mehr Live-Schaltungen oder weniger?“), sollte sich die ARD endlich damit auseinandersetzen, daß sie den Wunsch der Jugendlichen nach Trivialem, wie es das Infotainment der Privaten anbietet, nicht einfach ignorieren kann. Hier einen „dritten Weg“ zwischen Klaus Bednarz und Ulrich Meyer zu finden wäre ein Verdienst. So aber müssen sich junge Menschen weiter mit „ZAK“ und den historischen Tagesschau-Wiederholungen der Dritten trösten. Die haben sich nämlich als durchaus kultfähig erwiesen. Klaudia Brunst