Marburg wird nicht Fußgängermekka

WählerInnen stimmten mit Zweidrittelmehrheit gegen eine weitgehende Verkehrsberuhigung / CDU und Geschäftsleute waren Sturm gelaufen / Ozonwerte im Talkessel bleiben  ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Marburg (taz) – Die „Bürgerinitiative für ein besseres Verkehrskonzept“ in der hessischen Universitätsstadt Marburg ist am Sonntag gescheitert. In einem sogenannten Bürgerentscheid stimmten 67,9 Prozent der WählerInnen die Pläne zur totalen Verkehrsberuhigung der City vom Tisch. 32,1 Prozent stimmten für die Verkehrsberuhigung.

Damit steht fest, daß Marburg mit seiner idyllischen Oberstadt, dem Südviertel und der Universitätsstraße nicht, wie von der studentisch geprägten und von den Bündnisgrünen unterstützten Bürgerinitiative gewollt, zur autofreien Stadt avancieren wird. 57,8 Prozent der Wahlberechtigten hatten mitgestimmt.

Der radikale Vorschlag der Bürgerinitiative hatte vorgesehen, in Marburg alle Autos – bis auf die der AnwohnerInnen – aus der Innenstadt zu verbannen. Befragt nach einer Prognose zum Ausgang der Volksabstimmung, hatte sich der Marburger Landtagsabgeordnete der Bündnisgrünen, Alexander Müller, schon zwei Tage vor der Abstimmung ziemlich pessimistisch geäußert: Den Sieg werde die Bürgerinitiative wohl nicht davontragen können, aber wahrscheinlich werde sie einen „Achtungserfolg“ erringen.

Denn der organisierte Widerstand gegen das revolutionäre Verkehrskonzept war gewaltig: CDU und FWG (Bürger für Marburg) waren dagegen, die SPD nur zum Teil dafür. Und die Einzelhändler in der Innenstadt liefen Sturm gegen die ihrer Auffassung nach geplante „Verödung der Innenstadt“. Auch der Magistrat der Stadt hatte sich gegen das Konzept der Bürgerinitiative ausgesprochen und die BürgerInnen aufgefordert, beim Bürgerentscheid mit Nein zu stimmen. Die Neinstimmen vom Sonntag sind denn auch Spiegelbild der politischen Kräfteverhältnisse in der Stadt.

Der Demokratie in Marburg scheint der Bürgerentscheid trotzdem gutgetan zu haben. Die Abstimmung brachte mehr BürgerInnen dazu, die Wahllokale aufzusuchen, als die Direktwahl des neuen Oberbürgermeisters im vergangenen Jahr. Die „fortschrittliche und umweltgerechte Verkehrspolitik“, so Monika Bierbusch, Elmar Döhler und Dennis Fleischer von der Bürgerinitiative, sei dabei allerdings auf der Strecke geblieben.

In Marburg wird also alles so bleiben, wie es war: Keine verkehrsberuhigten Gebiete mit Sperren für AutofahrerInnen, keine Beschleunigung des Busverkehrs durch separate Fahrspuren, kein Wegenetz für den Fahrradverkehr. Und Marburg werde, so die BI, wegen seiner Kessellage weiter „die zweifelhafte Ehre haben, bei den Ozonwerten stets in der Spitzengruppe zu liegen“.