Endlager-Steinzeit in Morsleben

■ Merkel läßt in Morsleben Atommüll lose abkippen

Magdeburg (taz) – Bundesumweltministerin Angela Merkel (CDU) und ihr Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) greifen bei der Endlagerung von Atommüll im einzigen deutschen Atomklo in Morsleben neuerdings wieder auf Steinzeittechnologie zurück. Seit März dieses Jahres werden auf der Sohle 5a des von der DDR geerbten Endlagers wieder mittelaktive Abfälle aus Atommeilern und atomaren Zwischenlagern verstürzt. Während auf anderen Sohlen des Endlagers feste Gebinde mit schwachradioaktiven Abfällen eingelagert werden, die dadurch bis zur endgültigen Verfüllung des Atomklos rückholbar sind, werden auf der 5a-Sohle die Abfälle durch ein Loch im Boden einfach in eine darunterliegende Sohle gekippt. Als Verschluß dient eine Schleuse.

Merkel-Vorgänger Klaus Töpfer hatte 1991 auf diese Einlagerungstechnologie und damit auf die Einlagerung mittelaktiver Abfälle verzichtet. Denn nur auf der 5a-Sohle ist durch die DDR-Betriebsgenehmigung die Endlagerung mittelaktiver Abfälle gestattet. An die Selbstbeschränkung Töpfers mochte sich Merkel aber nicht mehr halten. Sie ließ die 1991 verschlossene Sohle wieder öffnen und seit März wieder Atommüll verstürzen. Das Magdeburger Umweltministerium will diese Einlagerungstechnologie jetzt aufgrund gravierender Sicherheitsbedenken untersagen. Gestern lief die Frist ab, in der das BfS zu diesen Plänen Stellung nehmen konnte, aber die Betreiberbehörde rührte sich nicht.

Bis Februar 1991 wurden auf der 5a-Sohle neben Fässern auch loser und flüssiger Atommüll verkippt. Der flüssige Strahlenmüll hat sich entgegen den Erwartungen nicht mit der beigegebenen Braunkohleasche verbunden und damit verfestigt, sondern ist bis auf die siebente Sohle durchgesickert. Die verstürzten Fässer sind teilweise geplatzt, so daß sich ein Schüttkegel gebildet hat, dessen Inhaltsstoffe sich unkontrolliert miteinder verbinden können.

Die so eingelagerten Abfälle sind nicht rückholbar. Das ist umso brisanter, als selbst Merkels Beamte inzwischen davon ausgehen, daß die Langzeitsicherheit des Endlagers Morsleben nicht nachweisbar ist, der Antrag, über die bislang genehmigte Betriebsphase (1. Juni 2000) hinaus einzulagern, juristisch nicht durchsetzbar ist. Neben dem Magdeburger Umweltministerium fordert deshalb auch Greenpeace eine sofortige Einstellung des Verstürzens. „Die gefährlicheren Abfälle nicht in festen Gebinden zu lagern, die im Notfall rückholbar sind, ist umweltpolitisch unverantwortlich“, sagt Greenpeace-Sprecher Rüdiger Rosenthal. Eberhard Löblich