Die "Siegessäule" steht wieder

■ Nach dreimonatiger Durststrecke erscheint das Stadtmagazin pünktlich zum Christopher Street Day / Auch "magnus" kommt im Herbst wieder, in neuem Outfit

Rechtzeitig zum Christopher Street Day können Berlins Szenehomos aufatmen. Dann liegt das schwule Stadtmagazin Siegessäule wieder griffbereit in Bars, Cafés, Kinos und anderen schwulen Treffpunkten aus. Damit endet eine dreimonatige Durststrecke, die die einschlägige Presselandschaft der Stadt zwar nicht erschütterte, aber doch eintöniger machte.

Das bundesweit mit 30.000 Exemplaren auflagenstärkste schwule Stadtmagazin gehörte bis zum überraschenden Aus im April zum Aushängeschild des magnus- Medien-Verlags. Als dieser im März in eine Finanzkrise stürzte, ging neben dem bundesweiten Verkaufsmagazin magnus auch das lukrative und gratis verteilte Anzeigenblatt mit unter.

Auslöser des für alle überraschenden Crashs war die Stornierung der üppigen Telefonsexanzeigen. Nach Bekanntwerden krummer Geschäfte bei der Abrechnung durch die Anbieter kappte die Telekom kurzerhand deren Anschlüsse. Folge: Der magnus- Verlag verlor über Nacht über 20.000 Mark an Werbeeinnahmen, was angesichts aufgelaufener Verbindlichkeiten in „sechsstelliger Höhe“, so Ex-Geschäftsführer Bernd Offermann, unweigerlich zum Knockout und direkt in den Konkurs führte.

Doch die Freude von Konkurrenzblättern in Berlin wie Pink Power“ auf größere Schnäppchen vom heißumkämpften Anzeigenmarkt erwies sich als verfrüht. Das magnus-„Imperium“, zu dem neben dem Stadtblatt und dem bundesweiten Magazin auch noch die Bereiche magnus-buch, magnus- shop und magnus-line gehören, erwies sich nach monatelangen ergebnislosen Verkaufsverhandlungen doch nicht als Ladenhüter. Mitte Juni ging der Verlag über den Tisch des Konkursrichters.

„Für einen sechsstelligen Betrag“, mehr gibt der alleinige Besitzer und neue Geschäftsführer des ehemals selbstverwalteten Betriebs nicht preis. Reiner Jackwerth heißt der neue Mann aus Köln, der den Verlag, der vor sieben Jahren aus der Schwulenbewegung hervorging, wieder flottmachen will. Mit der Schwulenbewegung habe er zwar nichts zu tun, doch bei magnus war der 45jährige Inhaber eines Redaktionsbüros am Rhein schon vor dem Konkurs finanziell mit im Spiel. Vor Jahren spielte er als einer von mehreren stillen Gesellschaftern schon einmal den Retter in finanzieller Not. Nun hat er den Laden in seiner Hand und die Sanierung am Hals.

Bei der Siegessäule dürfte die Wiederbelebung kaum Probleme bereiten. Nicht umsonst wird sie als erstes ins Rennen um die Rückeroberung einstiger Marktanteile geschickt. Ein Selbstläufer war sie schon vor der Krise, nun erscheint sie mit neuem Layout, vierfarbigen Seiten und größerem Umfang.

Größere Eingriffe wird es hingegen bei magnus geben, dessen Erscheinen für September geplant ist. Bis zuletzt krepelte das Magazin bei einer verkauften Auflage von 12.000 Exemplaren vor sich hin. Zuwenig zum Überleben und erst recht kein Anreiz für die ersehnte Markenartikelwerbung. „Eine Kooperation mit anderen Printmedien im Anzeigenbereich kann ich mir gut vorstellen“, meint Jackwerth und spielt damit auf die schwule Illustrierte Männer Aktuell an. Die einzige ernsthafte Konkurrenz aus dem Bruno-Gmünder-Verlag setzt monatlich immerhin 18.000 Exemplare ab und konnte im letzten Jahr trotz eines in ganz Deutschland rasant expandierenden Marktes für kostenlose Anzeigenblätter einen Aufwärtstrend verbuchen.

Mitentscheidend für eine breitere Leserschaft dürfte nicht zuletzt das zukünftige inhaltliche Konzept sein, an dem die zehn festen Mitarbeiter, die übernommen wurden, gerade feilen. Von einem „Forum für meinungsbildende Diskussionen“, „trendsettenden und identitätsstiftenden Inhalten“ sowie „mehr Pluralismus in den Meinungen“ spricht Chefredakteur Gunnar Döbberthin, der schon vor der Krise für die Redaktion verantwortlich war. Bei dem, was man nicht will, sind die Vorstellungen allerdings klarer: „Wir wollen keine Pin-ups im softpornographischen Stil, um mehr Leser anzulocken.“ Wohl aber mehr Erotik in „künstlerischem Outfit“. Und: „Wir wollen weg vom Ruf, nur ein Sprachrohr der Bewegung zu sein.“ In der Tat war es in den letzten Jahren nur noch der Ruf, der dem Blatt hartnäckig anhaftete, ohne daß er, mal abgesehen von den Anfangsjahren, in den Beiträgen sein Echo fand. Auch für den Anspruch eines „fundierten, kritischen Journalismus mit gut recherchierten Texten“, wie ihn Döbberthin und sein Chef gleichlautend hochhalten, wird man zumindest in den archivierten Ausgaben nur wenige Muster finden. Mit magnus wird also altes Neuland betreten, wenn auch unter neuer Führung. Vielleicht hat aber bislang gerade ein Unternehmer wie Reiner Jackwerth gefehlt, um das Dauerexperiment magnus erfolgreich zu beenden. Der gewöhnliche Homosexuelle könnte als Leser aufatmen. Jürgen Bieniek