Harmloses Militär

■ betr.: „Bezahlte Killer ist eine Tat sache“, taz vom 8. 6. 95

Selten habe ich das, was für viele ehemalige Wehrdienstleistende eine ernüchternde Erkenntis ist, nämlich die Erfahrung der Instrumentalisierung der eigenen Person innerhalb eines hochtechnisierten Tötungsapparates, so glasklar formuliert gelesen!

Die Staatsanwaltschaft der BRD und die Bundeswehr selbst geben in ihrer „Betriebsblindheit“ (jeder Staat hat eben eine Armee) willkommene Vorlagen zur politischen Auseinandersetzung mit der real existierenden staatlichen Ausbildung zum Töten einerseits und der angeblichen Volksverhetzung andererseits, falls dies jemand öffentlich so nennt.

[...] Die perversen und grob die Tatsachen verdrehenden und beschönigenden Wortschöpfungen der postmodernen Militärsprache wie „friedenserhaltende“ oder gar „friedensstiftende Maßnahmen“, „chirurgische Eingriffe“ usw. versuchen die zeitgenössischen Tötungsmaschinerien, wie die Bundeswehr zweifellos eine ist, als eine Art „behelmtes Technisches Hilfswerk mit Geländewagen“ zu verharmlosen. Folgt man den offiziellen Darstellungen, so handelt es sich bei Bundeswehreinheiten immer nur um Sanitäter, Transportflugzeuge und brunnenbohrende Pioniere. Selbst die Teilnahme an internationalen „Schnellen Eingreiftruppen“, so will man uns Glauben machen, ist nur die uniformierte Ausgabe von Genschman & Co, um Herrn Karadžić zum Einlenken zu „bewegen“; von toten Menschen ist jedenfalls nie die Rede. Bei „Luftangriff“ denkt offenbar selbst der und die Deutsche nicht an Dresden oder Hamburg, sondern an die Faszination vom Fliegen.

Überhaupt beschränkt sich die politische Debatte der bürgerlichen Parteien angesichts des drückenden Unrechts, das die UNO weltweit zu recht anprangert, um dann mit dem konfliktverschärfenden Ruf nach Soldaten (die nur Töten oder Getötetwerden als Handlungsalternative eingedrillt bekommen) auch die deutsche Beteiligung einzufordern, lediglich auf die Frage, ob wir moralisch bereits wieder soweit hergestellt, das heißt gesunken sind, um nach der blanken „Nie wieder!-Erkenntnis des Zweiten Weltkrieges, nun auf der Seite der Guten, die Bombe zu werfen. Dieses Töten „aus höheren Beweggründen“ mag nach unserem Strafgesetzbuch kein Morden sein, legitimiert ist es dadurch noch lange nicht. Daß theoretisch- politische Gedanken allzu leicht das Blutvergießen vor Ort außer Acht lassen, zeigt auch die Debatte innerhalb der Grünen. Die Hilflosigkeit angesichts eines täglich mit neuen Greueltaten bebilderten Krieges, drängt einige in die ewig fatale Bereitschaft, nun doch Gewalt anzuwenden (beziehungsweise zu lassen). Politische Prinzipien sind jedoch nicht aussetzbar; das Bekenntnis zur Gewaltfreiheit zeigt erst dann seinen wahren Wert, wenn es einer Prüfung standhält.

Political correctness ist die Suche nach einer politischen Lösung, gerade dann, wenn die Akteure des Blut-und-Boden-machismo bereits in ihrem Element toben. Oswald Neubauer, Ludwigsburg