Steh-auf-Rocker

■ Noch schöner als die California Dream Men: Terence Trent D'Arby brachte das „Modernes“ zum Kreischen und Schwitzen

Am Anfang hatte man ihn mindestens als Menschheitserlöser gefeiert. Da wollte er bei seiner zweiten LP gleich alles alleine machen. Vielleicht hätte er jemanden fragen sollen, der sich damit auskennt. Für das Resultat erntete der Hochgelobte nichts als Häme. Erst vor zwei Jahren wagte sich Terence Trent D'Arby mit einer energischen Tanzplatte namens „Symphony or Damn“ aus dem Bockshorn zurück. Wer bei seinem Konzert im „Modernes“ aber glaubte, ein abgehalftertes One-Hit-Wonder vor einer Hand voll treuer Alt-Fans vorzufinden, war schief gewickelt.

Rappelvoll und somit drückend heiß war es im Modernes, und der Geräuschpegel der kreischenden, vor allem weiblichen Fans ließ eher auf einen Auftritt von „Take That“ oder der „California Dream Men“ schließen. Und D'Arby war jeden spitzen Schrei wert. Er sah zwar mit Glitzer-Top, Pyjama-Hose und blonder Kurzhaarfrisur aus, als hätte man ihn zu früh aus der Garderobe und zu spät vom Friseur geholt, aber das tat seiner körperlichen und stimmlichen Präsenz keinen Abbruch. Sein „Jaaaa-hu!“ war mindestens ebenso lustvoll wie das von Prince, und er konnte sich mit der Hand im Schritt lässiger aus dem Spagat wieder hochziehen als Michael Jackson. Die aufwendige Lichtshow, die er mitgebracht hatte, wäre da gar nicht nötig gewesen.

Kündigte der Meister neue Stücke an, wurde gejubelt, kündigte er alte an, wurde das Publikum hysterisch. Allerdings verließ er sich nicht auf ein Hit-Medley mit den größten Hits als Zugaben, sondern spielte eine gesunde Mischung aus allen vier Alben, wobei die schwächeren Songs in neuen Arrangements neue Legitimität erlangten. „This Side of Love“ z.B. erklang mit den dreckigsten aller Gitarren als Monster-Rock-Nummer. Sogar das alte wie platte Mitsingspiel erreichte unter der Führung des 33jährigen ungeahnte Qualitäten. Die meisten Stars fordern ihre Fans bloß stur auf, immer lauter zu gröhlen; Terence Trent D'Arby hingegen brachte seine AnhängerInnen alleine durch seinen einfühlsamen Gesang dazu, den Refrain von „Sign your Name“ nicht besonders laut, sondern besonders gefühlvoll zu singen.

Auch die instrumentale Seite konnte voll überzeugen. D'Arby griff bei den rockigeren Stücken selbst in die Saiten und bei den Balladen in die Tasten. Stimmung kam auch bei den Cover-Versionen auf, denen man eine gewisse Ironie nicht absprechen konnte. D'Arbys „Dance, Little Sister“ wurde mit James Browns „Sex Machine“ verquickt, was darauf hinwies, daß die frappierende Ähnlichkeit der Stücke wohl doch kein Zufall ist. Und „Gimme Shelter“ hatten die Rolling Stones am selben Abend zum Auftakt ihrer Deutschland-Tournee sicherlich auch gespielt – aber deren Version ging sicher nicht so unter die Haut.

Andreas Neuenkirchen