Höheres Niveau erwünscht

■ betr.: „Stahlinismus“, taz vom 6. 6. 1995

Wie schön, daß es bei der taz begnadete Redakteure gibt, denen so geniale Wortschöpfungen wie „Stahlinismus“, „Edelstahlzahnstocher mit Sollbruchstelle“, „Mordrhein-Pestfalen“, „Auf- Ruhr“ und „Öko-Möllemanismus“ einfallen. Bei soviel Intelligenz kann „man“ schon einmal darüber hinwegsehen, daß dies bereits die dritte „Stahlinismus-Kritik“ desselben Autors und der neuerliche Kommentar zu einem Drittel ein Zitat aus dem eigenen Vorläufer ist.

Ausgesprochen störend empfinde ich es jedoch, wenn die inhaltlichen Aussagen dieses Kommentars im extremen Mißverhältnis zu seiner Wortschöpfungsqualität stehen: Daß Stahlerzeugung und Braunkohleabbau „die Atmosphäre in einen giftigen Backofen – ohne Zukunft – verwandeln“, dürfte den LeserInnen der taz bekannt sein. Auch daß „Kohle“ das(?) Synonym für Geld schlechthin und „rauchende Schornsteine“ die(?) magische Formel des Dampfmaschinen-Zeitalters ist, zählt nicht gerade zu den neuesten Erkenntnissen unserer Zeit. Die Auseinandersetzung über das „Gezeter und Gezerre“ der „Funktionärsarschgesichter“ des DGB um Arbeitsplatzsicherung hätte ich mir auf etwas höherem intellektuellem Niveau gewünscht.

Mit welchen Aussagen möchte Mathias Bröckers zum Beispiel den Menschen und ihren Familien gegenübertreten, die seit 20 Jahren und mehr ihre Bröckchen im Stahl- und Braunkohleabbau verdient haben? Pecht gehabt, am falschen Ort geboren oder vielleicht mit dem flotten Spruch „Macht was aus eurer Arbeitslosigkeit“? Wollen Sie diese Menschen kommentarlos der „Freiheit unserer Wirtschaftsordnung“ überlassen? Oder wäre es nicht an der Zeit, auch dazu intelligentere Lösungen einzufordern, statt sich auf wortgeniale Beschimpfungen zu beschränken? Klaus Hannemann, Erlangen