Briefbombe gegen Lübecker SPD-Chef

■ Rechtsextremer Hintergrund und Zusammenhang mit der Anschlagserie aus Österreich vermutet

Kiel/Lübeck (taz/AP) – Der vermutlich von Rechtsextremen gesteuerte Briefbombenterror nimmt kein Ende. In Lübeck explodierte gestern in der Geschäftsstelle der Lübecker SPD-Bürgerschaftsfraktion eine Briefbombe aus Österreich. Der 35jährige Fraktionsgeschäftsführer, Thomas Rother, wurde dabei an der Hand schwer verletzt. Die Generalbundesanwaltschaft zog das Ermittlungsverfahren an sich. Wie ihr Sprecher mitteilte, ermittelt die oberste Anklagebehörde wegen versuchten Mordes. Die Bundesanwaltschaft vermutet rechtsextreme Täter und einen Zusammenhang mit der Anschlagserie in Österreich. Es gebe auch Hinweise auf den Absender der Sendung, nicht aber auf die „Bajuwarische Befreiungsarmee“, die sich früherer Briefbombenanschläge bezichtigt hat.

Der Brief in Lübeck war an den stellvertretenden Bürgermeister und SPD-Fraktionschef in der Bürgerschaft, Dietrich Szameit, adressiert. Abgeschickt wurde er in Salzburg. Die Sozialdemokraten in Schleswig-Holstein sind davon überzeugt, daß der Anschlag rechtsextremistisch motiviert war, da mit Szameit eine Person getroffen werden sollte, die sich um die Integration von ausländischen Mitbürgern besonders verdient gemacht hatte. Zudem hatte der stellvertretende Bürgermeister das Urteil gegen die vier Brandstifter der Lübecker Synagoge, die Mitte April zu Haftstrafen zwischen zweieinhalb und vier Jahren verurteilt worden waren, als zu milde kritisiert. Das Kieler Kabinett von Ministerpräsidentin Heide Simonis, die den Anschlag als feige und infam verurteilte, beschloß gestern, an alle Behörden und Parteien Hinweise zum Erkennen von Brief- und Paketbomben zu schicken.

Erst vor vier Tagen war auf die Fernsehmoderatorin Arabella Kiesbauer ein Briefbombenanschlag verübt worden, bei der eine Assistentin des Privatsenders Pro7 verletzt wurde. Kiesbauers Name war nach Angaben des österreichischen Innenministeriums in einem Schreiben einer „Bajuwarischen Befreiungsarmee“ aufgetaucht, das am letzten Donnerstag einem Wiener Rechtsanwalt zugestellt worden war. Die Journalistin war trotzdem nicht gewarnt worden. Eine weitere Briefbombe war am selben Tag im österreichischen Linz in einer Partnerschaftsvermittlung explodiert, zwei Frauen wurden verletzt. Hier scheint es jetzt eine erste heiße Spur zu geben: Die österreichische Justiz veröffentlichte gestern eine Personenfahndung nach einem als Absender der Briefbomben verdächtigten Mann. Gesucht wird der Fahrer eines roten Autos, der sich in der Nacht zu Montag im steirischen Hartberg mit Gummihandschuhen an einem Briefkasten zu schaffen machte.

Schon seit Dezember 1993 terrorisieren Rechtsradikale in Österreich mit Brief- und Rohrbomben. Der widerwärtigste Anschlag geschah Anfang Februar in Oberwart: Vier Roma kamen ums Leben, als sie versuchten, eine Straßentafel mit der Aufschrift „Roma zurück nach Indien“ zu entfernen. Bei der ersten Berührung war eine versteckte Rohrbombe explodiert. Kersten Kampe