MIT-Belegschaft zahlt doppelt

Mißlungene Konversion in Rheinland-Pfalz / Geschäftsführer brachten Landesbürgschaften und Abfindungen durch  ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Frankfurt/Main (taz) – Sie haben für die Konversion bereitgestellte Landesbürgschaftskredite abgezockt und MitarbeiterInnen um ihre Abfindungen betrogen. Die Rede ist von den Geschäftsführern der Konversionsfirma MIT (Mainz Industrie Technologie). Die MIT sollte eigentlich als Nachfolgeunternehmen der legendären Mainzer US-Panzerreparaturwerke MIP (Mainz Industrie Panzerwerk) die Geschäfte als Großreparatur- und Produktionswerkstatt für zivile Omnibusse und Laster und als Recyclingunternehmen weiterbetreiben. Aber im Juni 1994 meldeten die Herren aus der MIT-Chefetage Konkurs an.

„Nieten in Nadelstreifen, die keine Kritik tolerieren“, nennt heute der Ex-MIP- und Ex-MIT- Angestellte Helmut Wehner seine ehemaligen Vorgesetzten. Zusammen mit knapp 200 früheren KollegInnen klagt Wehner vor Gericht die ihm entgangene Abfindung ein, die die US-Amerikaner – vertraglich garantiert – für alle ehemaligen ArbeiterInnen und Angestellten der MIP bei Schließung des Depots 1992 über einen Sozialplan hätten erstatten müssen. Die rund 10 Millionen Mark kamen allerdings bei denen, die dann vom Nachfolgeunternehmen MIT weiterbeschäftigt wurden, nie an.

Denn die MIT-Geschäftsführer – personell identisch mit den MIP- Geschäftsführern – hatten mit den US-Amerikanern eine lange geheim gehaltene Absprache getroffen: Die Regierung in Washington könne sich das Geld für die Abfindungen sparen, wenn das Pentagon im Gegenzug der neuen MIT- Gesellschaft die US-Ausstattung der alten Panzerwerke zu „Vorzugspreisen“ überlasse. Die US- Amerikaner ließen sich auf das Angebot ein. Das sei für beide Seiten ein lukratives Geschäft gewesen, sagt Wehner heute. Und deshalb hätten sie alle „keine müde Mark“ aus dem Sozialplan gesehen.

Nur ein Jahr nach dem Ende der MIP war auch die MIT am Ende, obwohl Rheinland-Pfalz den Betrieb unterstützt hatte: Rund 75 Millionen Mark Landesbürgschaftskredite aus Mainz futsch, Abfindungen futsch, Arbeitsplätze futsch. Und vor Gericht verloren die Betrogenen letzte Woche auch noch die erste Runde im Kampf um die Mittel aus dem alten Sozialplan. Eine Arbeitsgerichtskammer in Mainz erklärte den alten Sozialplan aufgrund von Formfehlern für ungültig und regte Nachverhandlungen an.

Jetzt müssen die Ex-MitarbeiterInnen der MIP ihren alten Betriebsrat zusammentrommeln, damit der mit den Geschäftsführern der auf dem Papier noch existierenden Firma einen neuen, wasserdichten Sozialplan aushandeln kann. Bei den Geschäftsführern Bröking und Voigt, die für den Untergang der MIT verantwortlich zeichnen, besteht dazu naturgemäß wenig Neigung. Die Geschäftsführer hätten bei der Gründung der MIT und bei der Durchführung der „Konversionsaktivitäten“ keine Eigenmittel investiert und sich danach – durch das Konkursverfahren – selbst saniert, so die geprellten Angestellten.

„Das ganze kann noch Jahre dauern“, glaubt der fünfzigjährige Familienvater Wehner, der inzwischen stempeln geht. Außer seinem Job und der Abfindung hat er einen Großteil seiner MIP-Altersversorgung verloren.

Die ehemaligen MitarbeiterInnen von MIP und MIT fühlen sich „verraten und verkauft“. Auf die Sprüche der Geschäftsführer vom „neuen Start, vom Neuanfang für alle“, sei man damals hereingefallen, sagen Wehner und der Ex-Justitiar von MIP und MIT, Hayo Brauckmann, heute übereinstimmend. „Zu Vorzugspreisen verfrühstückt“ worden seien die ihnen zustehenden Gelder aus dem Sozialplan der US-Amerikaner. Und das Mißmanagement an der Spitze der Holdinggesellschaft habe der werten Firma MIT schließlich den Rest gegeben.

Wie ruinös die Geschäftsführer der MIT agierten, hat Ex-Justitiar Brauckmann in einem Dossier an den Anwalt einiger Kläger fixiert. In nur einem Jahr hätten die Herren Bröking und Voigt das Bilanzdefizt der MIT-Tochter AST von sechs auf 26 Millionen Mark hochgeschraubt. Dabei hatte ihnen der Bund das riesige zentrale Gelände in Mainz zu Vorzugspreisen überlassen. Und durch den frechen Deal mit den US-Amerikanern ging der gewaltige Maschinenpark extrem preiswert in den Besitz der MIT über. Dazu kamen noch Landesbürgschaften für Kredite und Mittel aus dem Konversionsprogramm.

Das alles durchzubringen sei eine „Meisterleistung“ gewesen, sagt Wehner heute sarkastisch. Ex- Justitiar Brauckmann glaubt, den Herren Bröking und Voigt die arglistige Täuschung nach Paragraph 123 Bürgerliches Gesetzbuch auch vor Gericht nachweisen zu können. Sowohl nach US- als auch nach bundesdeutschem Recht sei nämlich die Geheimabsprache zwischen der MIT und den US- Streitkräften, mit der ehemalige MIP-Beschäftigte um ihre Abfindungen betrogen worden sei, rechtsungültig. Wer damals darauf verzichtet habe, bei der MIT weiterbeschäftigt zu werden, habe nämlich seine Abfindung in vollem Umfang erhalten, sagt Brauckmann. Wer sich dagegen von den MIT-Geschäftsführern zur Weiterbeschäftigung habe überreden lassen, sei leer ausgegangen. Das, sagt Brauckmann, sei ein klarer Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot. Ohnehin könne ein Arbeitnehmer auf eine Abfindung aus einem Sozialplan überhaupt nicht verzichten.

Regelrecht „geködert“ worden seien sie damals, sagt Wehner: „Da war von einer bevorstehenden Fusion mit RWE und von angeblich unterschriftsreifen Großaufträgen die Rede. Sichere Dauerarbeitsplätze wurden uns versprochen, wenn wir auf die Abfindung verzichten würden.“

Von diversen Arbeitsgerichtskammern werden demnächst weitere Urteile in den MIP/MIT-Verfahren verkündet werden. Und die, so glaubt Ex-Justitiar Brauckmann, würden an den bereits ergangenen Urteilen ausgerichtet. Wo aber sind die in die Unternehmen hineingepumpten Millionen geblieben, fragen sich die Ex-MitarbeiterInnen von MIP und MIT.