Dösender Hund vor weiblichem Akt

Ein parteiübergreifendes Solidaritätskomitee stand der Bürgerrechtlerin Bärbel Bohley in der Stunde der Pfändung bei / Die Gysi-Kritikerin will lieber in den Knast gehen als Gysis Anwalt bezahlen  ■ Aus Berlin Barbara Bollwahn

Blanker Holzboden, Bilder und Zeichnungen an den Wänden, jede Menge Bücher und Papiere – die Wohnung von Bärbel Bohley im Berliner Stadtteil Mitte sieht aus, wie eben die vier Wände von Intelektuellen aussehen. Daß sich in solch einem Gemäuer gerne illustre Gesellschaften zusammenfinden, liegt in der Natur der Sache. Doch daß die CDU zu einer Soliaktion aufruft, die sowohl SPD-Politiker als auch Grüne und Mitglieder des Bundes der Stalinistisch Verfolgten am Frühstücksbüffet einer ehemaligen DDR-Bürgerrechtlerin vereint, hat schon Seltenheitswert.

Der gemeinsame Kampf gegen das rote Übel PDS, an dessen Spitze ihr erklärter Feind Gregor Gysi steht, verwischt die sonst klar gezogenen Parteigrenzen. „Das Hamburger Urteil ist ein Schandurteil“, so der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Michael Wonneberger, der „spontan“ aus Cottbus angereist war. Die Entscheidung des Gerichts, wonach Bohley gegen Androhung einer Strafe bis zu 500.000 Mark ihren ehemaligen Anwalt Gysi nicht als Stasispitzel bezeichnen darf, reihe sich ein in skandalöse Urteile wie das gegen den ehemaligen NPD-Vorsitzenden Günther Deckert. Es gäbe zur Zeit nichts Wichtigeres in Deutschland, als Solidarität mit Bohley zu üben. Mit Wahlkampf habe das überhaupt nichts zu tun. „Ich will dagegen protestieren, daß jemand bestraft wird, der jemanden berechtigerweise als Stasispitzel bezeichnet“, sagte der ehemalige Bürgerrechtler Hans Schwenke. Das meint auch die Junge Union, die T-Shirts mit dem Aufdruck „Gregor Gysi ist ein Stasi-Spitzel“ drucken ließ.

Der Gerichtsvollzieher, der gestern etwa 3.500 Mark Gerichts- und Anwaltskosten eintreiben sollte, mußte nicht klingeln. Die überfüllte Wohnung, in der Bohley Bedürftigen den Weg zum Klo wies, Kaffee kochte, Blumensträuße und Umarmungen in Empfang nahm, stand sperrangelweit offen.

Nur mit Mühe und Not konnte sich der Kuckucksmann mit den Worten „Ich muß amtshandeln“ den Weg ins Wohnzimmer bahnen. Für wenige Minuten stand er im Rampenlicht von Dutzenden von Kamerateams und Fotografen, bevor er unverrichteter Dinge wieder abzog. Bohleys Anwalt hatte gegen die Pfändung formell Widerspruch eingelegt.

„Ich bin bereit zu sitzen, aber nicht zu zahlen“, sagte Bohley, die über die breite Unterstützung „sehr froh“ war. „Schön, daß Sie auch da sind“, begrüßte sie den braungebrannten Pressesprecher der PDS, Hanno Harnisch. Er verlieh der „hochgradig albernen“ Veranstaltung das Prädikat „nicht sonderlich fair“. Das brachte ihm die versammelte Wut der Umherstehenden ein. „Wann tritt endlich Christa Luft und die ganze Bande zurück?“ rief ihm die SPD-Politikerin Angelika Barbe zu. Die ehemalige Bundestagsabgeordnete gehört zu den Mitunterzeichnern einer Solidaritätsbekundung für Bohley, die der Berliner Beauftragte für die Stasi-Unterlagen, Martin Gutzeit, verlas. Auch Sachsens Innenminister Heinz Eggert, der dann doch nicht kam, Patrick Moreau von der Universität Paris, der Schriftsteller Lutz Rathenow, die Historikerin Brigitte Seebacher-Brandt und andere unterschrieben das Papier, in dem Gysi als „verbrecherischer SED-Kader“ und „Vertreter des leisen Terrors“ bezeichnet wird und Bohley als „Stolperstein für diejenigen, die dachten, ewig Macht über andere haben zu können“. Auch der Bündnisgrüne Wolfgang Templin, der einen schwarzen Mischlingshund mitgebracht hatte, hatte unterschrieben. Während Herrchen Interviews gab, döste das Tierchen vor einer Staffelei mit einem weiblichen Akt.

Ein Ehepaar, das im Haus von Bohley wohnt, verließ mit Koffern bepackt das Haus. Kurzurlaub. „Das wird alles nur hochgekocht“, sagte der Mann. Um in der DDR was zu erreichen, habe Gysi mit der Stasi kooperieren müssen. Um das zu untermauern, sagte er: „Wenn ich in die Kaufhalle gehe, muß ich auch was geben.“