Die rechtsextreme Ein-Mann-Show

Der Verein „Die Nationalen“ wird zur Sammelbewegung verbotener Neonazi-Gruppen in Berlin und Brandenburg / Wahlbeteiligung am 22. Oktober soll die Isolation durchbrechen  ■ Von Severin Weiland

Der Ausgang der Ein-Mann- Show war vorprogrammiert. Seit Wochen hatte der Sprecher des „Nationalen Info-Telefons Berlin“ die rechten Kameraden mit schneidender Stimme auf die Kür des Spitzenkandidaten der „Nationalen“, Frank Schwerdt, vorbereitet. Am gestrigen Donnerstag war es dann soweit. Die Mitglieder des rechtsextremistischen Vereins wählten den Ingenieur erwartungsgemäß auf Platz 1 der Landesliste.

Das nächste Ziel gab Schwerdt seinen Gesinnungsfreunden sogleich mit auf den Weg: 2.200 Unterschriften Berliner Wahlberechtigter zu sammeln, um zur Abgeordnetenhauswahl am 22. Oktober zugelassen zu werden.

Seitdem mehrere Neonazi- Gruppen verboten wurden, versucht Schwerdt verstärkt, für die „Nationalen“ als legale Alternative in der rechten Szene zu werben. Offenbar erfolgreich. Als am 1. Mai dieses Jahres die Polizei eine Versammlung des Vereins auf dem Vorplatz des S-Bahnhofs Wuhlheide auflöste, waren unter den 30 bis 40 Personen auch zahlreiche Anhänger der verbotenen Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei (FAP).

Von der CDU ins rechtsextreme Lager

Schwerdt gilt als einer der umtriebigsten Exponenten der rechtsextremen Szene. Die politische Karriere führte den 52jährigen aus dem bürgerlichen Lager – wo er einst als Mitglied im CDU-Ortsverein Berlin-Heiligensee begann – auf geradem Weg ins rechtsextreme Spektrum. Bei den Anfang der achtziger Jahre gegründeten „Republikanern“ stieg er zum stellvertretenden Berliner Landesvorsitzenden auf, verließ jedoch die Partei nach innerparteilichen Zerwürfnissen.

Aber auch bei seiner neuen politischen Heimat, der von zahlreichen Ex-Reps ins Leben gerufenen „Deutschen Liga für Volk und Heimat“ (DL) geriet er alsbald ins Abseits. Zum Verhängnis wurde ihm 1993 seine vorbehaltlose Unterstützung von Frank Hübner, der als Chef der später verbotenen Deutschen Alternative (DA) auf der DL-Liste zu den Kommunalwahlen in Cottbus kandidierte. Aus Angst, selbst von staatlichen Maßnahmen betroffen zu werden, warf die DL-Bundesspitze den Chef ihres Landesverbandes Berlin-Brandenburg kurzerhand aus der Partei.

Ein offenkundig taktisch motivierter Zug. Denn flugs konzentrierte sich Schwerdt verstärkt auf die „Nationalen“, einer im September 1991 von Mitgliedern der DL, NPD, diversen anderen Rechtsextremisten und ehemaligen Rep-Mitgliedern gegründeten Organisation. Mit ihrem Ableger, dem „Jungen Nationalen Spektrum e.V.“ (JNS), versucht er seit rund einem Jahr, Mitglieder verbotener Organisationen wie der FAP und der DA in Berlin, Brandenburg und Sachsen zusammenzuführen. Zusammen zählen die „Nationalen“ und das JNS nach Erkenntnissen des Brandenburger Verfassungsschutzes derzeit zwischen 80 und 100 Interessenten, Sympathisanten und Mitglieder. Um den Eindruck einer Auffangorganisation für verbotene Neonazi-Gruppen zu vermeiden und juristischen Schritten vorzubeugen, verlangt Schwerdt in vielen Fällen keine förmliche Mitgliedschaft.

Bedeutungsverlust

Einen anderen Eindruck vermittelt dagegen die Berlin-Brandenburger Zeitung (BBZ) der „Nationalen“, als deren Herausgeber Schwerdt agiert. Seit drei Jahren wird dort die ganze Palette des rechtsextremen Spektrums bedient: Ein Interview mit dem brandenburgischen Rep-Landesvorsitzenden findet sich dort ebenso wie ein Bericht des früheren FAP-Landesvorsitzenden von Berlin-Brandenburg, Michael Dräger. Auch Aktivisten anderer verbotener Organisationen, etwa der Nationalistischen Front, tauchen als Autoren auf.

Angesichts des Bedeutungsverlustes, den die staatlichen Verbotsmaßnahmen der rechten Szene im Laufe der letzten zwei Jahre zufügten, sieht sich Schwerdt in der Rolle des letzten Aufrechten. Der selbstgestrickte Versuch, mit den „Nationalen“ in Berlin Flagge zu zeigen, dient mehr propagandistisch-psychologischen Zwecken. Schon einmal war die Organisation vor drei Jahren mit der „Wählergemeinschaft Die Nationalen“ bei den Bezirkswahlen auf Stimmenfang gegangen. Trotz medienwirksamer Aktionen – eine mit dem englischen Holocaust-Leugner David Irving vorgesehene Veranstaltung in Karlshorst wurde damals gerichtlich verboten – waren die BVV-Wahlen am 24. Mai 1992 ein Desaster. Die Berliner zeigten der Wählergemeinschaft die Schulter: Sie blieb deutlich unter einem Prozent.