Elf FreundInnen gegen Angela M.

UmweltministerInnen der SPD-Länder gehen beim Schutz vor Ozon einheitlich vor / Tempolimit und Fahrverbote ab 240 Mikrogramm  ■ Von K.-P. Klingelschmitt

Kassel (taz) – Die UmweltministerInnen von elf Bundesländern haben sich am Pfingstmontag in Kassel auf eine gemeinsame Strategie zur Bekämpfung gesundheitsgefährdender Ozonkonzentrationen verständigt. Wie der Umweltsenator der Hansestadt Hamburg, Fritz Vahrenholt (SPD), am Abend mitteilte, werden in den Bundesländern Hessen, Niedersachsen, NRW, Baden- Württemberg, Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz, Saarland und Sachsen-Anhalt und in den Stadtstaaten Bremen und Hamburg bei einer Ozonkonzentration von 180 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft Geschwindigkeitsbeschränkungen erlassen: Für Pkw und Motorräder Tempo 90 auf Autobahnen und Tempo 60 auf Landstraßen, für Lkw generell Tempo 60. Und die in Kassel versammelten UmweltministerInnen der sogenannten A-Länder sprachen sich auch für die Verhängung von Fahrverboten aus – bei einer Ozonkonzentration von 240 Mikrogramm pro Kubikmeter Atemluft. Ausnahmen von den Fahrverboten sollen nur für schadstoffarme Fahrzeuge zulässig sein. Bei allen anderen Pkw und Lkw, so Vahrenholt, sei ein strenger Maßstab anzulegen. Vorstellbar seien Ausnahmegenehmigungen für Rettungs- und Erntefahrzeuge oder für Fahrten zur Versorgung der Bevölkerung.

Für diese Sommersmog-Saison wird es allerdings nichts mehr werden mit den Fahrverboten. Weil man auf einen vernünftigen Gesetzentwurf des Bundes gewartet habe, sei wertvolle Zeit verlorengegangen, sagte Vahrenholt.

Mit ihrem Entwurf, der auch die Grundlage für die Haltung der A- Länder im Bundesrat werde, hätten die UmweltministerInnen der Länder auf die von der Bundesregierung geplanten „völlig untauglichen Maßnahmen“ überzeugend reagiert, sagte die hessische Umweltministerin Iris Blaul (Bündnisgrüne) am Montag. Auch für Vahrenholt ist der Entwurf der Bundesregierung das „Ergebnis eines Teppichhandels“. Der dort vorgesehene Grenzwert von 270 Mikrogramm Ozon pro Kubikmeter Luft an drei Meßstationen mit großem Abstand sei für einen wirkungsvollen Gesundheitsschutz viel zu hoch: „Damit wird das Nichthandeln während der Perioden erhöhter Ozonkonzentrationen gesetzlich festgeschrieben.“ Dazu komme der viel zu weit gefaßte Ausnahmekatalog für Berufspendler, den Reiseverkehr, den Wirtschaftsverkehr und für Motorräder. Motorräder, so Vahrenholt, seien heute schon mit 10 Prozent am verkehrsbedingten Schadstoffaufkommen beteiligt.

Daß sie mit ihren Vorstellungen „juristisches Neuland“ (Blaul) betreten, wissen die MinisterInnen. Kann etwa die hessische Landesregierung dem Fahrer einer Dreckschleuder aus Bayern verbieten, bei Ozonalarm eine Bundesautobahn in Hessen zu benutzen? Haben einzelne Länder überhaupt das Recht, für Bundesautobahnen generelle Geschwindigkeitsbeschränken zu erlassen oder gar Fahrverbote zu erteilen? Fragen über Fragen, mit denen sich bald wohl auch das Bundesverfassungsgericht beschäftigen muß. In Hessen hat ein Autofahrer gegen die seit Sommer 1994 geltende Ozonverordnung geklagt, sagte Blaul. Das Verfahren sei zur Zeit beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof anhängig.

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