Falsches Signal

■ Ausgerechnet mit Hilfe der PDS entmachtete ein SPD-Bezirksbürgermeister in Berlin eine grüne Baustadträtin

Berlin (taz) – Kaum hatte Ingrid Stahmer, die Spitzenkandidatin der Berliner SPD für die Landtagswahl im Oktober, in der vergangenen Woche die Parole Rot-Grün ausgegeben, tappte ihre Partei in eine Stolperfalle. Gelegt wurde die freilich nicht von der CDU, sondern von einem der eigenen Bezirksfürsten. Seitdem hat sich nicht nur die SPD gegen den Ruf zu wehren, mit der PDS zu paktieren. Auch die PDS setzt sich dem Verdacht aus, so liebgewonnene Mieterinteressen aufs Spiel zu setzen.

Weil ihm der Umgang der bündnisgrünen Baustadträtin von Berlin-Mitte, Dorothee Dubrau, mit Investoren nicht brav genug war, schritt SPD-Bezirksbürgermeister Gerhard Keil am vergangenen Dienstag zum Putsch. Ausgerechnet mit Hilfe dreier PDS-Stadträtinnen entband Keil die ungeliebte Stadträtin ihrer wichtigsten Ämter. Damit nicht genug. Verantwortlich für die Bauanträge in der Berliner Boomtown wird künftig ein CDU-Stadtrat sein: Joachim Zeller, eigentlich zuständig für Gesundheit und Umweltschutz und zu DDR-Zeiten in der Humboldt- Universität verantwortlich für die „Bücher-Sekretierung“, also die Verwaltung der Giftliste.

Worum es im Rathaus von Mitte tatsächlich ging, wollte zunächst keiner so recht verstehen. Von „mangelnder Chemie“ im Bezirksamt war die Rede oder von einer Absprache zwischen SPD und der PDS über die Verteilung der Posten nach der Wahl im Oktober. Erst am Donnerstag brach Bezirksbürgermeister Keil das Schweigen. In mehreren Fällen, so Keil, hätte die Baustadträtin die Geduld der Investoren überstrapaziert. Flugs setzte der SPD-Politiker ein gegenteiliges Zeichen: Auf das schlichte Versprechen eines Investoren hin, anstelle einer denkmalwerten Kofferfabrik Sozialwohnungen zu bauen, stellte Keil dem Bauherrn eigenmächtig einen Bauvorbescheid aus. Eine Garantie für den Bau von Sozialwohnungen indes gibt es nicht. Vielmehr steht das Gebäude nun auf dem Immobilienmarkt für 16 Millionen Mark zum Verkauf.

Längst ist der Bezirkskonflikt zum Wahlkampfthema an der Spree geworden. Kurz nach der Entmachtung Dubraus hatte die bündnisgrüne Abgeordnetenhausfraktion in einem offenen Brief an die SPD-Spitze vom „Gegenteil eines rot-grünen Signals“ gesprochen. Zwar kritisierte Diepgen- Herausforderin Stahmer prompt, aber ein Gespräch des SPD-Landesvorstands mit Keil blieb gestern ohne Ergebnis. Keil hatte bereits tags zuvor deutlich gemacht, daß er nicht daran denke, seine Entscheidung zu revidieren.

Die Sozialdemokraten, die der PDS als Mieterpartei im Wahlkampf Konkurrenz machen wollten, stecken damit in der Klemme. Längst hat sich unterhalb der großen Koalition, in der Stadterneuerung und vor allem in den Bauabteilungen der Bezirke, ein rot-grünes Bündnis etabliert. Namentlich Dorothee Dubrau steht dabei für den bündnisgrünen Anteil: mehr Wohnanteile, bürgernahe Planung, öffentlich geförderte Altbausanierung. Daß der SPD- Bürgermeister von Mitte diesen Konsens nun verlassen hat, hat ihm in den letzten Tagen gar Prügel von Berlins Bausenator Wolfgang Nagel (SPD) sowie dem Großteil der Berliner Baustadträte beschert.

Doch nicht nur die SPD, auch die selbsternannte Mieterpartei PDS stolpert mit der Entmachtung unglücklich in den Wahlkampf. Kaum hatten die PDS-Stadträtinnen Dubrau fallenlassen, verhängte die Parteispitze einen Maulkorb. Dahinter aber brodelt es. Bernd Holtfreter, als Mieteraktivist auf der offenen Liste der PDS, nannte das Vorgehen der PDS „beschissen“, bei den Genossen im Prenzlauer Berg spricht man von einem „politischen Dummenstück“. Die Abwahlkoalition mit der SPD in Mitte ist für die PDS auch deshalb kaum zu vermitteln, weil erst vor einem halben Jahr in Berlin-Pankow eine ihrer Baustadträtinnen geschaßt werden sollte: auf Betreiben der SPD.

Lachender Dritter beim verpatzten Wahlkampfauftakt der SPD und PDS sind die Berliner Grünen und die CDU. Während die Ökopartei sich über das unverhoffte Wahlkampfgeschenk der Konkurrenz die Hände reibt und rot-grüne Statements sammelt, freut sich die CDU, daß auch die SPD eingesehen habe, daß man mit einer „grünen Blockadepolitik“ im Regierungsviertel der Hauptstadt nicht vorankomme. Uwe Rada