Ab geht die Luzie

■ Das dritte Mädchenkulturfestival in Berlin übt die Facetten der Weiblichkeit / Mit Projekten soll in die männlich dominierte Kulturarbeit eingegriffen werden

„Mädchenkultur soll als Bestandteil der Jugendkultur begriffen werden“, sagt Inge Hennig, die Vorsitzende des „Arbeitskreises Feministisch Interkulturelle Mädchenarbeit e.V.“. Sie organisiert, in Kooperation mit der Senatsverwaltung für Jugend und Familie, das von 3. bis 5. Juni in Berlin stattfindende dritte bundesweite Mädchenkulturfestival, auch kurz „Mädiale“ genannt, „um eine Öffentlichkeit dafür zu schaffen, was Mädchen im männlich dominierten kulturellen Bereich leisten“.

Der Anspruch dieses Arbeitskreises, der bis vor einem Jahr aus einem losen Verbund Ost- und Westberliner Mädchenprojekte bestand und sich anläßlich der Mädiale mit anderen Mädchengruppen aus ganz Deutschland zu einem Verein zusammenschloß, erschöpft sich aber keineswegs darin, Mädchenarbeit in Abgrenzung zur Jungenarbeit „schon an sich“ als politisch zu definieren.

Schon früh zu lernen, aus der traditionellen Frauenrolle auszubrechen und sich „auszuprobieren“, ist daher das Motto der diesjährigen Veranstaltung, hinter der der Slogan „Ab geht die Luzie“ steckt.

Ein zentrales Motiv der Arbeit der zwischen 8 und 20 Jahre alten Mädchen, die an der Berliner Mädiale teilnehmen, bestand deswegen darin, eine „Luzie“ zu basteln, die nicht nur während der Pfingstfeiertage in der Kulturbrauerei zu besichtigen ist, sondern auch bei der Abschlußdemonstration quer durch die Stadt wandern soll. Der Mädchenladen Wedding zeigt ihre mädchengroßen Pappfiguren, die wie bei der 7jährigen Ghanaerin Grace und der 10jährigen Polin Iga auf der einen Seite mit einer Weißen und auf der anderen Seite mit einer Farbigen bemalt sind – eine Frau mit zwei Gesichtern. Denn die Luzie ist interkulturell.

Um andere Kulturen kennenzulernen und besser zu verstehen, finden vier Workshops statt, die den Allltag von Mädchen aus Afrika, Indonesien, dem Iran und der Türkei vermitteln. Eine Fotoausstellung zum Thema „Mädchen und Rassismus“, auch von einer Gruppe des Ost-West-Mädchenladens Wedding auf die Beine gestellt, wehrt sich gegen jede Festlegung auf das Bild der „Ausländerin“. Willkommen ist alles, was unabhängig von jeder Nationalität eine Ablösung von der traditionellen Mädchenrolle erlaubt: Neben Theater, Tanz, Video und Graffiti kann frau an diesem Wochenende auch für sie „ungewöhnlichen“ Sportarten wie Fallschirmspringen oder HipHop nachgehen.

Multikultur und Antirassismus spiegeln sich als Anliegen auch im zwei mal drei Meter großen Friedensteppich wider, der anläßlich der Mädiale von Mädchenhänden aus Ost und West bemalt, bestickt und beklebt wurde und – bis zur nächsten Mädiale – als Botschaft durch die Krisengebiete geschickt werden soll. Anja Sieber