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: Ein braver Junge

„Klinsmann persönlich“, Dienstag, 22.14 Uhr, Sat.1

Nachdem mit Helmut Kohl das Zeitalter der Politik und mit Marcel Doppel-R das der Literatur zu Ende ging, begegnet uns die metaphysische Sinnsuche allenthalben im Fußball. Hobbyphilosophen wie Walter Jens werden zu Sportreportern, und Spitzenkicker reden plötzlich über Gott und die Welt; nur über eins nicht: über Fußball.

Nach dem (Stimm-)Bänderriß von Lodamadäus muß nun Jürgen Klinsmann die Produktion von (Un)sinn übernehmen. Moderator Beckmann stellte der männlichen Ausgabe von Linda de Mol alle möglichen Fragen: „Hast du mal geklaut? Hast du mal Drogen genommen?“ Und was er in dem Moment denkt, wenn er bei der Nationalhymmne mitsingt, ob er ein Grüner ist ... Alles Geschwafel, bei dem man mit abgekauten Kugelschreibern nach dem Fernseher werfen möchte.

Die alles entscheidende Frage, warum nämlich Klinsmann zum Ekelclub Bayern München geht, einem Verein, der mangelnde Spielkultur mit finanzieller Arroganz kompensiert, stellte Beckmann nicht. Fußball ist sowieso das letzte, um das es in „ran“ geht. Zwei Komiker, Wiegald Boning und Olli Dittrich, die bereits vor ihrem Berühmtwerden abgehalftert wirkten, haben ihren Auftritt. Darauf darf Joschka Fischer sagen, Fußball sei unpolitisch (dabei ist es bereits eine politische Äußerung, zu Bayern zu gehen!). Anschließend quält die Werbung. Und wenn Reinhold Beckmann die restliche Zeit nicht damit verbringt zu grinsen, dann stellt er seine pseudospritzigen Fragen. Öde ist gar kein Ausdruck. Zwischendurch hat sich „Clean(s)Man“ – so nennen ihn die Engländer, für die er 29 Tore schoß – doch geoutet: Daß unser Kanzler im vergangenen Jahr bei der Weltmeisterschaft in den USA „zum Kaffee vorbeischaut und ein paar Worte mit der Mannschaft redet“, findet Klinsi „toll“. Er hätte das ja nicht sagen müssen, der Bäckerjunge, der laut Kickerkollege Bernd Schuster am besten in die „Schwarzwaldklinik“ paßt. Er hätte ja zum Beispiel laut darüber nachdenken können, wie das wohl sein wird, wenn er an der Seite von Sforza, Herzog und Matthäus gegen Vestenbergsgreuth verlieren wird. Doch diese Chance bot ihm Beckmann nicht. Im Gegensatz zum italienischen Fernsehen dominiert hier die pure Show. Da kicken wir lieber selbst. Demnächst im Ostpark. Manfred Riepe