Multikulti-Fest statt alkoholisiertem Herrentag

■ Zum Jahrestag der Menschenjagd organisierten Flüchtlingsinitiativen in Magdeburg ein Friedensfest / Kritik von der PDS: Irriger Eindruck von heiler Welt

Magdeburg (taz) – Die Stadt zeigte sich von ihrer besseren Seite: Ausländerinitiativen, kirchliche Gruppen, Gewerkschaften und Verbände hatten gestern in Magdeburg die City okkupiert, mit einem großen Friedensfest sollten ausländerfeindliche Übergriffe von vornherein unmöglich gemacht werden. Die Rechnung ging offenbar auf, bis Redaktionsschluß kam es in der Innenstadt zu keinerlei Zwischenfällen. Vor einem Jahr dagegen hatten dort rund 60 Hooligans etwa 20 Schwarzafrikaner wie Tiere durch die City gehetzt. Mit dieser Menschenjagd am frühen Nachmittag begannen Krawalle und Straßenschlachten, die die Polizei erst in der Nacht halbwegs unter Kontrolle bekam.

„Wir haben uns bewußt entschieden, diesen Tag nicht als Tag der Trauer zu begehen“, sagt der Südafrikaner Joseph Richardson von der Magdeburger Flüchtlingsinitiative „Kontakt International“. Gemeinsam mit dem Frankfurter Verein SOS Rassismus gehört die Magdeburger Initiative zu den Initiatoren des Straßenfestes in der Elbestadt. Schon am Morgen zogen zahlreiche Jugendliche zu einer Mahnwache vor die „Marietta- Bar“. Das Lokal war im Vorjahr angegriffen und zerstört worden, nachdem einige der Gejagten dort Zuflucht gesucht hatten.

Die Polizei, die vor einem Jahr trotz eindeutiger Hinweise von den Ausschreitungen völlig überrascht worden war, zeigte diesmal Präsenz – und mächtig viel Verständnis für die ImmigrantInnen. Nachdem gegen 15 Beamte wegen ausländerfeindlicher Übergriffe am Rande des Himmelfahrtstages 1994 Ermittlungsverfahren eingeleitet wurden, die allerdings nur in einem einzigen Fall auch zu einer Anklage führten, hat SPD-Innenminister Manfred Püchel in allen Polizeidienststellen besonders geschulte Ausländerbeauftragte eingesetzt. Die sollen zum einen als Ansprechpartner für ImmigrantInnen fungieren – sie sollten vor allem aber das Verständnis der Beamten für die Probleme und Bedürfnisse der ausländischen BürgerInnen wecken.

Das Multikulti-Fest, bei dem sich Liedermacher, Rockbands und Theatergruppen aus dem In- und Ausland auf sechs Bühnen abwechselten, stieß allerdings nicht überall auf Zustimmung. Vor allem die PDS Sachsen-Anhalts distanzierte sich im Vorfeld von dieser Art, den Jahrestag der Himmelfahrts-Krawalle zu begehen. „Mit diesem Friedensfest soll den Pogromen nun eine heile und ausländerfreundliche Welt gegenübergestellt werden“, kritisierte der Landtagsabgeordnete Matthias Gärtner. Zwar stimme die PDS mit den Veranstaltern darin überein, daß eine humanistische, tolerante und friedfertige Atmosphäre ein gemeinsames Ziel sei und man jeglicher Gewalt entschlossen entgegentreten müsse, aber mit der Veranstaltung werde der irreführende Eindruck vermittelt, das gesellschaftliche Klima gegenüber Ausländern sei im Grunde freundlich und untadelig.

Die meisten MagdeburgerInnen reagierten eher zurückhaltend auf das Multikulti-Fest. Beim Renntag auf der Pferderennbahn im Herrenkrug tummelte sich viel mehr Volk als in der City, und die Magdeburger Punkszene beging den Tag im Ausflugslokal „Elbterrassen“, wo im Mai 1992 der 23jährige Torsten Lamprecht bei einem Skinhead-Überfall erschlagen worden war. Eberhard Löblich