Love Parade – ein Müllproblem?

Tauziehen um Deutschlands berühmtestes Techno-Spektakel auf dem Ku'damm / Innensenator Heckelmann für Verbot wegen mangelnder Politikfähigkeit / Privates Müllunternehmen als Retter?  ■ Aus Berlin Anita Kugler

Love, love, love – seit 1989 hüpfen, tanzen, jubeln, lärmen einmal im Jahr die Techno-Fans den Berliner Kurfürstendamm rauf und runter. Ein Freiluft-Rave für Frieden und Freuden allergrößten Ausmaßes, über hunderttausend waren es im vergangenen Jahr.

Schon damals gab es hinter den Kulissen ein Biedermeierstück, ein Aufjaulen der Saubermänner und -frauen von der Polizei, der Arbeitsgemeinschaft City und des Innensenats, die dem ganzen von der Szene heißgeliebten Spektakel wg. Müll und überhaupt den Spaß abdrehen wollten. Die „Love Parade“ sei keine „kollektive Stellungnahme zu öffentlichen Angelegenheiten“, hieß es im Behördendeutsch, genieße also keinen Demonstrationsschutz.

Im Jahr sechs des Techno-Festivals in Berlin ist nun das Genörgel über den angeblichen Mißbrauch der Demonstrationsfreiheit zur amtlichen Verfügung geworden. Die Polizei hat vorgestern, in Absprache mit Innensenator Heckelmann, der Friede-Freude-Eierkuchen-Manifestation die „Genehmigung im Sinne des Versammlungsgesetzes“ verweigert. Das für den 8. Juli geplante Superspektakel darf nur gefeiert werden, wenn die Veranstalter das Ganze als kommerzielle Show aufziehen, das heißt die Straßensperren und die anschließende Müllentsorgung selbst finanzieren.

Das könnte die Organisatoren etwa 250.000 Mark kosten, Geld, das sie nicht haben, denn schließlich wird für das Mittanzen kein Eintritt verlangt. William Röttger vom Musikunternehmen „Mayday“ erwägt jetzt, eine einstweilige Verfügung beim Berliner Verwaltungsgericht gegen diese Entscheidung zu beantragen. Sollte man auch dort scheitern, droht er, „platzt das Festival“.

Dies aber wiederum liegt auch nicht im Interesse der Stadt, zumindest nicht im Interesse der Image-Unterabteilung des Regierenden Bürgermeisters Diepgen (CDU) – und schon überhaupt nicht des parteilosen Kultursenators Ulrich Roloff-Momin. „Die Absage dieser Veranstaltung ist eine Absage an die Jugendkultur der 90er Jahre“, empört er sich. Und obendrein würde Berlin sich „erbärmlich blamieren“, ausgerechnet in einer Zeit, „in der die ganze Welt wegen der Christo- Verhüllung auf unsere Stadt schaut“. Und ähnlich argumentieren auch die SPD-Spitzenkandidatin für die nächste Abgeordnetenhauswahl, Sozialsenatorin Ingrid Stahmer, und selbstverständlich Bündnis 90/Die Grünen: „Jede Generation hat ihre eigenen politischen Ausdrucksformen. Die Haltung der Innenverwaltung, es handele sich bei der Love Parade (dieses Jahr unter dem Motto „Peace on Earth“) um keine politische Sache, ist unakzeptabel.“

So findet also seit Tagen, schon wieder hinter den Kulissen, hektisches Gerangel statt. Jetzt will es nämlich keiner gewesen sein. Sogar die CDU läßt über Pressemitteilung verlauten, daß man dies doch so nicht gemeint habe. „Make love, not Mist“, tönt Geschäftsführer Dieter Hapel. „Mir sind lebensfrohe junge Menschen, die friedlich, tolerant und drogenfrei über den Ku'damm ziehen, tausendmal lieber als besoffene, gewalttätige Chaoten.“ Heckelmann solle mit dem „ausgelassenen Treiben doch unverkrampft“ umgehen, empfiehlt er seinem Parteifreund, mit dem er sonst bei der rigiden Asylpolitik immer d'accord geht.

Rettung in höchster Not bot gestern früh das private und Berlins größtes Müllentsorgungsunternehmen an: die Firma Alba. Gemeinsam mit der Berliner Stadtreinigung wolle man gern die leeren Energy-Drink-Büchsen und den Papiermüll aufsaugen, daran solle doch die weltweit berühmteste Techno-Parade nicht scheitern.

Und ökologisch aufgeschlossen zeigten sich auch die Organisatoren des schrillen Spektakels, die diesmal sogar 150.000 Tanzwütige erwarten. Sie faxten der Stadt ein vierseitiges Präventiv-Müllvermeidungskonzept zu. Darin ist viel von „Abfallvermeidungsagenten, Sponsorenvereinbarungen, organisiertem Getränkeverkauf aus Pfandbechern die Rede und auch von „outlets in einer Gesamtauflage von 500.000 Stück“, die den Teilnehmern Müllverzicht nahelegen.

Die Jugendkultur ist also in Berlin auf ein Müllproblem reduziert. Darüber dürfte sich vor allem die Stadt Frankfurt freuen. Denn im Unterschied zur deutschen Hauptstadt bemüht sich die Rheinmetropole schon seit Jahren, das imageträchtige Spektakel in die Stadt zu bekommen.

Ein Vorlauf fand letztes Jahr statt. Zur 1200-Jahr-Feier fanden riesige Tanzfeste statt, für die eigens die zentralen Verkehrstunnel gesperrt wurden. Da dröhnten die 130 bis 160 beats pro minute besonders hübsch, und die Stadt lobte sich für ihre weltoffene Jugendkultur. Die Fernsehbilder gingen um die ganze Welt, und in den Werbeprospekten lobt die Stadt sich selbst als Techno-Metropole Deutschlands – ein Ruf, den Berlin immer beanspruchte. Man ließ sich die Sache auch was kosten: Die Stadt beseitigte den Müll nicht nur umsonst und diskret, sondern subventionierte den Spaß auch ganz direkt, indem sie die Kosten von Diesel bis Schminke übernahm.