■ Die fast abgesagte Love Parade
: Die Stadt, der Müll und der Techno

Die Werbung umwirbt Techno, die Zukunftsforscher handeln mit Techno, Frankfurt, Köln, Detroit, Paris, London, Tokio, Buxtehude – alle wollen sie Techno, bloß Berlin wäre sich durch einen Tempo- Vorstoß von Innensenator Heckelmann beinahe selber in die Parade gefahren. Dabei: Hätte es nicht schon wieder was hergemacht? Headline in der taz: „Toll! Berlin verbietet Love Parade!“

Es hätte, wären in Berlin die Motive nicht regelmäßig die allerniedrigsten. Welche historische Chance für Heckelmann! Mit ein wenig echter Repression – einer beherzten Kampagne gegen Drogen etwa oder staatsmännisch starken Worten im Dienste des Volkskörpers – hätte er der heillos gutwillig gewordenen Love Parade wieder ein wenig den Ruch des Verbotenen zurückgeben, ja Heckelmann hätte jungen Menschen einen neuen Lebenssinn geben können! So aber lief seine Invektive aufs Aller(b)analste, Allerdeutscheste hinaus: Wer macht den Dreck weg?

Ein nahezu tragisches Mißverständnis: Denn in Windeseile hatten die Love-Parade-Veranstalter in vorauseilendem Bürokratismus ein in allen Punkten ausgearbeitetes 6-Punkte-Programm zur Müllvermeidung vorgelegt. Message: Techno ist saubere Energie, auch im Sozialen: „Polizeiliche Präsenz ist in einer Stärke anzustreben, daß abgesehen von den verkehrsregelnden Maßnahmen entlang der Demonstrationsstrecke die Objekte, von denen beim Ersteigen eine Gefahr ausgehen kann, unter Beobachtung stehen.“

Braver geht's nimmer, und das hat seine Gründe: Längst hat sich Techno in Berlin zu einem verzweigten mittelständischen Unternehmen entwickelt, an dem auch die Betreiber der Love Parade Aktionäre sind. Während die kreativeren Teile der Techno- Bewegung dem durchorganisierten Friede-Freude- Eierkuchen-Spektakel fernbleiben, sehen die Veranstalter sich als Vertreter einer „Jugendkultur, die für die Stadt das Image von ,Optimismus‘ und ,Zukunftsorientiertheit‘ nach außen transportiert.“ Das schreit doch förmlich nach einem Image-Transfer – einem, von dem beide Seiten profitieren!

Daß führende Berliner Polit-Heads zu blöd sind, das zu erkennen, bedarf keines weiteren Kommentars, und die nachgeschobenen Schlichtungsversuche durch die vereinten Kräfte von CDU, Bündnis 90/Die Grünen und der Senatsverwaltung für Jugend und Familie kaschieren nur notdürftig das lädierte Image. So wird's nichts mit dem sexy Hauptstadt-Appeal, Berlin bleibt Piefke-Town. Kein Wunder, daß die U-Bahnen mit Durchhalteparolen plakatiert sind: „Berlin – wir glauben dran“. Thomas Groß