Zwischen den Rillen
: Grüße von Onkel Karl

■ Politentwürfe: Die neunte von Fugazi, die erste von Trusty

Die Revolution ist gescheitert: „I'm channeling 17 dead revolutions that have long gave up the ghost“, heißt es in „Downed City“. Doch gestorben ist die Revolution nicht. Immer war sie präsent – zumindest in kleinsten Einheiten. Und damit die Hoffnung, daß daraus dereinst der Phönix wieder fliegen würde. Die Zeile dazu kommt aus „Long Distance Runner“, sie lautet: „I can't keep your pace / If I want to finish this race / My fights not with you / It's with gravity“. Die Wiederholung der Geschichte läuft unvermindert fort, der alte Onkel Karl läßt grüßen.

Fugazi haben eine neue Platte gemacht. „Red Medicine“ ist ihre neunte Veröffentlichung. Davor waren Minor Threat, und davor waren schon The Teen Idles – das macht eine mehr als fünfzehn Jahre lange Strecke. Wir reden von Dinosauriern. Die hier sind allerdings zäher als ihre urzeitlichen Vorgänger und nicht einmal vom Aussterben bedroht. Noch immer ist nur lokal erreicht, was Guy Picciotto, Ian McKaye, Brendan Canty und Joe Lally als Parole ausgegeben haben: die Errichtung kleiner autarker Produktionseinheiten von Musik, die nicht nach Kommerzialität schielen und statt dessen die Musik machen, weil die Musik sein muß. Deshalb können sie noch nicht aussterben, weil die Musik als Musik und zum Fast-Selbstkostenpreis auf Platte und bei Konzert bisher nur in Washington, DC und bei Dischord, dem Label von Fugazi und ihrem Umfeld, halbwegs funktioniert. Und weil dem immer noch so ist, bleibt jede Fugazi-Platte weiter so wichtig wie ihre Vorgängerin. Oder genauso unwichtig, je nachdem, wie man zu dem Ansatz steht.

Daß diese Band samt Label und damit verknüpften Hoffnungen nicht nur in autonomen Zirkeln verbreitet wurde, lag nur an einem einzigen Song. 1989 avancierte „Waiting Room“ zum höchstwahrscheinlich ersten und möglicherweise auch letzten Stück einer Hardcore-Band, das massiv den Weg auf den Tanzboden fand.

Und Fugazi selbst fanden mit ihrem Politentwurf, der an das Funktionieren im Lokalen als Voraussetzung für Veränderung im Gesamten glaubt, ihren Niederschlag nicht nur in einschlägigen Fanzines und Musikzeitschriften, sondern auch in durchaus bürgerlichen Medien.

Ein zweites „Waiting Room“ haben sie seitdem konsequent verweigert, aber ihre Fertigkeit, dem an sich so ungelenken Hardcore eine gewisse tänzerische Eleganz zu verschaffen, behielten sie natürlich bei. Immer noch pulsiert der Bass, schmirgeln die Gitarren an Funk gemahnend und weiß das Schlagzeug die Breaks zu setzen – GoGo ist immer noch die beherrschende Musik in Washington, der Fugazi auch weiterhin nahesteht.

Der Rückzug auf Spannung, die immer weiter aufgebaut wird in ihren Songs, aber nicht explodieren will, diese Eigenschaft, die sie vom GoGo und seinem über Stunden pausenlos durchgehenden Beat gelernt haben, ist nun schon länger das beherrschende Moment ihrer Musik, die aber auch auf „Red Medicine“ Hardcore bleibt.

Doch die ekstatischen Punk- Chorusse, die eingängigen Melodien werden sorgsam versteckt als kleine Gitarrenlicks oder enervierend oft wiederholte kurze Zeilen. Das perfektioniert das rhythmische Anliegen, aber verhindert den Hit, den sie wohl auch nicht wollten. Auch die jazzigen Anfälle, die atonalen Versuche spielen der Verweigerung in die Hände.

Daß sie Versuche, Punkrock kommerzfähig wie unlängst allen voran Green Day zu gestalten, zumindest musikalisch nicht ablehnen, bewiesen immer wieder die Veröffentlichungen des Dischord-Labels. So spielen Trusty auf ihrem Debütalbum „Goodbye, Dr. Fate“ einen überaus harmonischen, fast schon peinlich unschuldigen Punkpop, der seine Widerhaken erst in den Texten ausfährt. Ganz in der eher englischen Tradition von Chumbawamba oder den Housemartins scheint hier zu gelten: Locke die Menschen mit Wohlklang, dann rutschen die Wahrheiten mit runter.

Vor allem aber bleibt Dischord seiner Politik treu. Zwar kommen Trusty ursprünglich aus Arkansas, aber leben seit drei Jahren in der Hauptstadt, deren Szene zu dokumentieren die oberste Aufgabe des Labels ist. Für alle anderen Städte ohne wirklich funktionierende Kleinsteinheiten, ob nun in den USA oder hier, gilt weiterhin der Ratschlag von Fugazi: „Ring the alarm or you're sold to dying“ („Fell, Destroyed“). Thomas Winkler

Fugazi: „Red Medicine“.

Trusty: „Goodbye, Dr. Fate“.

Beide Dischord/EFA.