■ Was wird von der „Autonomie“ Hongkongs bleiben?
: Der lange Schatten

Über ein Jahrzehnt ist vergangen, seitdem die Regierungen Großbritanniens und Chinas diplomatische Gespräche über die Zukunft von Hongkong begannen. Nur noch 800 Tage, und die Ergebnisse dieser Gespräche werden in die Tat umgesetzt sein. Die chinesisch-britische Erklärung [über die Zukunft des Territoriums, d. Red.] flößte den Menschen Hongkongs in dem Maße Vertrauen ein, als sie eine Reihe unzweideutiger Versprechen enthielt. Versprochen wurde, daß Hongkong „Autonomie in hohem Maße“ und eine unabhängige Gerichtsbarkeit erhalten wird; daß die Legislative gewählt und daß die unter britischer Herrschaft gewährten Rechte und Freiheiten geschützt werden.

Doch je näher das Jahr 1997 rückt, desto stärker wird das Gefühl, daß die versprochene „Autonomie“ und die anderen Garantien sich in Luft auflösen. Die immer noch offene Frage ist: Wie können zwei so unterschiedliche politische, wirtschaftliche und soziale Systeme innerhalb eines einzigen Landes existieren?

Das Ausmaß der Autonomie in Hongkong wird eingeschränkt werden durch zahlreiche Verfügungen in seiner künftigen Verfassung – dem 1990 verabschiedeten Basic law. So ermächtigt es zum Beispiel den Ständigen Ausschuß des chinesischen Nationalen Volkskongresses (NPC), ein von der Kommunistischen Partei Chinas beherrschtes Gremium, Hongkonger Gesetze außer Kraft zu setzen. Weiterhin nimmt das Basic law Staatsakte der Zentralregierung von der Rechtsprechung Hongkonger Gerichte aus. Es ist nicht ganz klar, was die Formulierung „Staatsakte“ einschließt, aber sie könnte sehr weitgehend ausgelegt werden. Dies sind nur zwei Bereiche, die Grund zur Sorge geben. Es gibt noch andere.

Sowohl Britannien als auch China halten sich sehr mit Äußerungen darüber zurück, welche Rolle die chinesische KP nach 1997 in Hongkong spielen wird. Bis vor kurzem haben auch die Medien keinerlei Neugier gezeigt. Eine solche Zurückhaltung ist durch die Tatsache gefördert worden, daß es der britischen und der chinesischen Regierung aufgrund verschiedener historischer Gründe gleichermaßen zupaß kam, einen Schleier über die Existenz der KP Chinas in Hongkong zu legen. Und dieser Schleier machte es so schwierig, über die künftige Rolle der chinesischen KP in Hongkong zu sprechen. Gegenwärtig agiert die chinesische KP unter der Flagge einer Nachrichtenagentur in Hongkong. Innerhalb dieser Agentur gibt es das Hong Kong and Macao Work Committee, ein Gremium der Kommunistischen Partei Chinas. Dieses Gremium ist nicht amtlich registriert, wie es das Hongkonger Gesetz vorschreibt, und es agiert unter Ausschluß der Öffentlichkeit. Welchen Sinn soll es für Hongkong haben, wenn die KP Chinas auch nach 1997 als Geheimorganisation agiert? Schließlich tritt sie auch auf dem Festland offen auf. Es wäre gegenüber der Hongkonger Bevölkerung fairer, wenn die Mitglieder der KP sich zu erkennen gäben und ihrer Aktivität bei hellem Tageslicht nachgingen. Für Chinas Kommunisten ist es schwierig, die Rolle ihrer Partei in der „Sonderverwaltungsregion Hongkong“ (das ist die offizielle Bezeichnung des Territoriums nach 1997, d. Red.] zu bestimmen. China ist verpflichtet, sicherzustellen, daß die Kommunistische Partei nicht zum dominierenden Machtorgan in Hongkong wird. Entzieht sich China dieser Verpflichtung, dann ist es schwer vorstellbar, wie Hongkong nach 1997 ein „hohes Maß an Autonomie“ genießen kann.

China wollte es Hongkong nicht gestatten, den Privy Council in England [höchstes Rechtsprechungsorgan im britischen Rechtssystem, d. Red.] weiter als oberstes Gericht anzuerkennen, weil China glaubt, daß dies seine Souveränität einschränkt. Daher sehen die Gemeinsame Erklärung und das Basic law vor, daß ein oberster Gerichtshof noch vor 1997 in Hongkong eingerichtet wird. Ein solches, den Vorstellungen der Hongkonger entsprechendes oberstes Revisionsgericht liegt jedoch noch in weiter Ferne. Britannien und China sind weiterhin dabei, sich über die Zusammensetzung des Gerichts und seine Jurisdiktion zu streiten. Es gibt Gerüchte, daß China nicht akzeptieren will, daß das Gericht über Fälle befindet, die verfassungsrechtliche und menschenrechtliche Aspekte einschließen. Als Vorsichtsmaßnahme hat China sein Beratergremium, das Preliminary Working Committee, gebeten, darüber nachzudenken, wie ein Gericht nach 1997 aussehen könne. Die Unsicherheit der künftigen Rechtslage hat eine Reihe Hongkonger Geschäftsleute veranlaßt, sich nach neuen Gerichtsstandorten im Fall von Vertragsstreitigkeiten umzusehen.

Was die Menschenrechte betrifft, ist die Möglichkeit Hongkongs, in Zukunft die Mechanismen der UNO zur Überwachung der Menschenrechte anzuwenden, in Frage gestellt. Gegenwärtig kann Hongkong pflichtgemäß periodisch über die Lage der Menschenrechte gemäß den beiden internationalen Menschenrechtspakten der UNO berichten, weil Britannien beiden Pakten beigetreten ist. China hat jedoch bislang weder den einen noch den anderen Pakt unterzeichnet. Obwohl die „Gemeinsame Erklärung“ und das „Basic Law“ festlegen, daß „die Pakte in ihrer Anwendung auf Hongkong nach 1997 in Kraft bleiben“, haben China und Britannien bislang keinerlei Anstrengung unternommen, ein Verfahren auszuarbeiten, das die Fortsetzung der Berichte über das Jahr 1997 hinaus gewährleisten würde. Statt dessen haben chinesische Offizielle erklärt, China habe keine Verpflichtung, über den Stand der Menschenrechte zu berichten, da es die Pakte nicht unterzeichnet habe.

Ein anderer brutaler Schock für die Menschen in Hongkong stellt die Entschließung des chinesischen Volkskongresses dar, nach der die politische Struktur Hongkongs 1997 liquidiert werden müsse, weil China den politischen Reformen, die Gouverneur Chris Patten vorschlägt, nicht zustimme. So wird, wenn China die Souveränität über Hongkong übernimmt, seine erste Aktion darin bestehen, eben diese Struktur zu vernichten, besonders, soweit die Legislative betroffen ist. Statt dessen wird China eine provisorische Körperschaft ernennen, die vielleicht sogar bis 1999 amtieren wird, dem Datum, an dem das Basic law Wahlen vorsieht. Die britische Regierung wird nicht müde, die Bedeutung dieser Resolution herunterzuspielen, sie stellt in Frage, ob die Chinesen sie in die Tat umsetzen werden. Die chinesische Regierung hingegen macht laufend klar, daß sie sowohl das Recht als auch die Macht hat, genau das zu tun. Die Weltöffentlichkeit blickt jetzt nicht mehr durch. Die Menschen in Hongkong aber sind durch die Kette schlechter Nachrichten wie gelähmt. Christine Loh, Hongkong

Die Autorin ist Anwältin und Mitglied des Hongkonger Gesetzgebungsrats