Glaubenskrieg in der Tschechischen Republik

■ Papst spricht in Olomouc umstrittenen Märtyrer heilig / Protestanten wehren sich

Berlin (taz) – Ein vierter Prager Fenstersturz fand zwar nicht statt – doch die Heiligsprechung des Märtyrers Jan Sarkander, die der Papst gestern im mährischen Olomouc zelebrierte, ist auf den scharfen Protest der Evangelischen Kirche der Tschechischen Republik gestoßen. Sarkander sei ein Fanatiker der Gegenreformation, so ließen ihre Vertreter verlautbaren und lehnten es ab, mit Johannes Paul II. zusammenzutreffen.

Bekanntermaßen gab es in der böhmischen Hauptstadt drei Fensterstürze. Allein der dritte hatte nichts mit Religion zu tun, die beiden anderen gaben das Signal zum Ausbruch jahrzehntelanger Glaubenskriege. Dennoch muß es überraschen, daß die Gegenreformation bis heute die Gemüter der Tschechen bewegt. Zumal sich 50 Prozent als Atheisten bezeichnen. Selbst aus Kreisen tschechischer Katholiken war zu hören, daß es besser gewesen wäre, ein Opfer der Kommunisten heiligzusprechen. Für die Protestanten ist Sarkander, der 1620 in Olomouc nach grausamer Folter starb, ein Landesverräter: Er habe den Einfall eines polnischen katholischen Heers nach Mähren vorbereitet.

Und genau hier liegt der Grund für den protestantischen Unmut: Denn der religiöse Konflikt wurde von tschechischen Historikern immer auch als nationaler und politischer interpretiert. Der Adel hätte sich gegen den Kaiser, die Tschechen gegen die Deutschen erhoben. Tatsächlich läßt sich die Rekatholisierung nicht von der gleichzeitig durchgeführten Germanisierung trennen. Die Entscheidung für die Heiligsprechung wirkte da wie eine bewußte Mißachtung der tschechischen Opfer.

Von all dem müßte der polnische Papst gewußt haben. Bei seiner Ankunft in Prag bemühte er sich daher, aus der Not eine Tugend zu machen, und bezeichnete die Märtyrer als „erste Fürsprecher des ökumenischen Prozesses“. In Olomouc ging er noch einen Schritt weiter: Er bat alle Nichtkatholiken für das in den Religionskriegen zugefügte Unrecht um Verzeihung. Zwar werteten Beobachter dies als einen „Meilenstein“, den Katholiken in Tschechien dürfte er mit dieser Reise aber kaum gedient haben. Seit der Revolution 1989, in der Geistliche wie der Charta-77-Unterzeichner Václav Malý eine wichtige Rolle spielten, hat die Kirche viel von ihrer gesellschaftlichen Bedeutung eingebüßt. Während im April 1990, beim ersten Besuch des Papstes in Prag, rund eine Million an seinem Gottesdienst teilnahmen, kamen nach Olomouc nur 250.000. Sabine Herre