Kritik nur auf dem Klo

■ CDU-Parteitag lief wie geschmiert / Diepgen mit SED- Ergebnis zum Spitzenkandidaten gewählt / Frauen ausgebootet

Müßten Politstrategen mit triefender Ölkanne herumlaufen, die für einen geschmierten Ablauf von Parteitagen sorgt, Klaus-Rüdiger Landowsky und Eberhard Diepgen hätten am Samstag ihre Jacketts und ihre weißen Hemden gegen schmutzige Overalls von Kfz- Mechanikern ausgetauscht. Über 320 Delegierte waren in die Kongreßhalle am Alexanderplatz gekommen, um mit großen Mehrheiten den einzigen Bewerber, Diepgen, zum Spitzenkandidaten für die Abgeordnetenhauswahl zu nominieren und der Fusion mit Brandenburg zuzustimmen. Landowsky und Diepgen agierten dabei gemeinsam mit dem Präsidum von geschickt bis plump autoritär. Der Antrag eines Delegierten auf geheime Abstimmung über die Fusion wurde abgelehnt, obwohl die dafür nötigen drei Viertel aller Stimmen gar nicht zustande gekommen schienen. Die Parteitagsleitung weigerte sich einfach zu zählen.

Um 10 Uhr wurde die Parteitagsmaschinerie gestartet. Fraktionschef Landowsky brachte das politische Räderwerk mit Worten auf Hochtouren. Die CDU sei die Partei der Wiedervereinigung, die SPD dagegen liebäugele mit der PDS, die die Union nicht verbieten, aber niederwählen lassen wolle, sagte der Propagandist. Dann reihte er Erfolg an Erfolg, wie die Angleichung der Gehälter in West und Ost sowie den von Diepgen erreichten Umzug der Bundesregierung nach Berlin. Wie immer wurde Landowsky persönlich: „Eberhard, ich bin stolz darauf, daß du bei Siemens an der Seite der Schwachen gestanden hast.“ Der Banken-Vorständler wechselte ohne Hemmungen in die Rolle des Antikapitalisten. Daß Siemens seine Kabelwerke nach Mecklenburg-Vorpommern verlegt und die Lufthansa mit ihrer Werft nach Irland umzieht, hat für den Fraktionsvorsitzenden „mit patriotischer Gesinnung nichts zu tun“.

Während Landowsky vom Vaterland sprach, verteilte die Vorsitzende der Berliner Frauenunion, Wilma Glücklich, im Auditorium Flugblätter mit Zeitungsartikeln über die Kandidatenkür zur Abgeordnetenhauswahl am 22. Oktober. Sie ist empört, weil bei einem durchschnittlichen Wahlergebnis in der nächsten CDU-Fraktion nur sechs Frauen vertreten sein werden. Ihr Zitat in einem taz-Bericht, „Wo die Macht ist, sind sich Männer immer einig“, hatte sie fett unterstrichen. Als dann die erste Frau ans Mikrophon ging, war Diepgen lange zum Spitzenkandidaten gekürt worden und die Tagesordnung beim Thema Fusion von Berlin und Brandenburg angelangt.

Als die Abgeordnete Gisela Greiner aus der Damentoilette kam, berichtete sie von wütenden Ausfällen weiblicher Mitglieder vor den Wandspiegeln. Weitere zweieinhalb Stunden später wollte Glücklich sich zu Wort melden, gegen die Macht der Männer in der Union stänkern und die Einführung der Frauenquote fordern. Doch sie konnte nur noch hilflos feststellen, daß der Punkt „Aussprache“ längst von der Tagesordnung gekippt worden war. Die Revolte der CDU-Frauen fand auf dem Klo statt. Diepgens Kommentar zu diesem Parteitag: „Daß ich mit 91,2 Prozent gewählt wurde, finde ich gut.“ Sein Ziel: Ohne die CDU soll auch nach dem 22. Oktober die SPD keine Regierung bilden können. Dirk Wildt