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: Unser täglich Unbehagen

„Kontraste“, Donnerstag, 21 Uhr, ARD

Was seine Kollegen in Köln am runden „Monitor“-Tisch beklagten, erfuhr „Kontraste“-Moderator Jürgen Engert zur gleichen Zeit am eigenen Leib: Die Geier kreisen. Bloß weil der Vorsitzende einer wirtschaftsliberalen Minderheitenvereinigung abtrat, gab es einen „Brennpunkt“ – und eine 15minütige Kinkel- Kürzung des Politmagazins „Kontraste“. Daß manche Programmacher Magazine eher als Kramladen und zeitliche Manövriermasse ansehen, fällt sonst besonders beim ZDF auf, wo für Wahlen, Sport und Feiertage das „auslandsjournal“ manchmal wochenlang verschwindet.

Innenpolitik muß jedoch sein. Da gilt es, Flagge zu zeigen, auch wenn der Stoff schon reichlich dünn geworden ist und bloß dahinflattert. „F&E“ heißt weiterhin das Motto – nicht „Forschung und Entwicklung“, nein: Fürsorge und Empörung sind angesagt. Weil die Tränendrücker der Privaten weiter vergnügt im Boulevardsumpf wühlen, bleibt den Öffentlich-Rechtlichen der Auftrag einer Affärengrundversorgung. Sie hat besonders in der Moderation des altväterlichen Jürgen Engert den unaufgeregten Hauch einer humanitären Hilfe. Einfühlsam diagnostizierte er gleich am Anfang „unsere Gesellschaft der Mundwerker“, in der Gehörlose zu Außenseitern würden. Überdies werden sie nun auch noch durch das kriminelle Pilotenspiel „Jump“ ausgenommen. Ein Sozialfall?

Nichts Neues auch bei der Bundeswehr, in der fesche Wehrmachtslieder geschmettert werden, oder auf der Ostsee, wo die Fähren immer noch ohne Querschotte dümpeln. Merkwürdig schlingernd manövriert „Kontraste“ zwischen optischem Overkill und inhaltlicher Botschaft. NS-Propagandafilme, anonymisierte Interviews, Akten- Inserts, Grafiken, etliche O-Töne vor Ort liefern Authentizität, während in den Off-Kommentaren die Paraphrase herrscht: „Alles top secret“, „ein Schock mit nachwirkender Verletzung“. Die Authentizität mündet in den sanften Appell. „Da nimmt unsereins doch lieber den Landweg“, resümiert Engert den „Estonia-Bericht.

Unser täglich Unbehagen gib uns heute, so die politische Fürbitte. Laß uns nicht zurückschrecken vor dem tiefen Graben zwischen skrupulöser Faktensuche und der dunklen Silhouette des gegenüberliegenden Gebirges aus Zweifel und Verallgemeinerung. Dieter Deul