„Von plakativen Gesetzen halt' ich nichts“

■ Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sieht in einem allgemeinen Antidiskriminierungsgesetz keinen sinnvollen Schutz von Minderheiten

taz: Seit letzter Woche gehört die Bundesrepublik zu den Signatarstaaten einer Euro-Konvention zum Schutz nationaler Minderheiten. Beigetreten ist die BRD aber auch schon 1969 dem internationalen Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (CERD). Anders als in den Niederlanden oder Belgien fehlt es hier jedoch an spezifischen Anti-Diskriminierungsregeln. Warum tut sich die Koalition mit der Ausarbeitung eines Anti-Diskriminierungsgesetzes so schwer?

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger: Eine ähnliche Diskussion haben wir bereits während der letzten Verfassungsdebatte geführt. Damals hat die FDP eine Änderung des Grundgesetzes befürwortet. Ein neuer Artikel sollte eingeführt werden, der ausdrücklich den Schutz aller gesellschaftlichen Minderheiten garantiert. Leider haben wir dafür aber nicht die erforderliche Zweidrittelmehrheit bekommen. Im übrigen: Ob ein nationales, pauschales Antidiskriminierungsgesetz überhaupt sinnvoll und durchführbar ist, möchte ich bezweifeln. Von nur plakativen Gesetzen halte ich nichts.

Eine Grundgesetzänderung wird gar nicht gefordert, sondern es geht um Änderungen in den einzelnen Rechtsgebieten. Im Zivilrecht etwa existieren lediglich Vorschriften, die bereits geschlossene Verträge mit diskriminierendem Charakter im Nachhinein für nichtig erklären können. Wird aber beispielsweise einem Ausländer aus rassistischen Motiven der Einlaß in eine Gaststätte verwehrt oder eine Wohnungsvergabe aus rassistischen Gründen abgelehnt, so schweigt das Gesetz. Für den Betroffenen gibt es weder eine Entschädigungsregelung, noch können die Verantwortlichen bestraft werden.

Ich weiß, daß es Stimmen gibt, die einen Straftatbestand der rassistischen Diskriminierung fordern. Aber mit Rufen nach dem Strafrecht – wie überhaupt gleich nach neuen Gesetzen – muß man vorsichtig sein: Schließlich haben wir schon beim Nötigungsparagraphen gesehen, wie weit sich letztlich die Strafbarkeit ausdehnen läßt. Überlegt werden sollte aber in diesem Zusammenhang, ob nicht punktuell in den einschlägigen Gesetzen – wie zum Beispiel im Gaststättengesetz – Verbesserungen vorgenommen werden könnten. Manche rassistisch motivierten Verhaltensweisen lassen sich schon jetzt auch als Beleidigungen ahnden. Um aber diese zutiefst verabscheuungswürdigen, alltäglichen Diskriminierungen zu verhindern, hilft meines Erachtens vor allem eines: eine intensiv geführte gesellschaftliche Diskussion.

In den Niederlanden können Organisationen die Rechte der Opfer vor Gericht einklagen. Dort wird den Betroffenen auch der Nachweis einer erlittenen Diskriminierung erleichtert. Ignoriert die Bundesrepublik judizielle Errungenschaften?

Wir ignorieren die Erfahrungen, die in anderen Ländern in punkto Rassismusbekämpfung gemacht werden, ganz bestimmt nicht. Aber soll denn die Verbandsklage eine Errungenschaft sein? Schließlich besteht dabei auch die Gefahr, daß ausländische Mitbürger mit Organisationen, die vielleicht nur auf Gewinn aus sind, Verträge abschließen. Meines Wissens hat auch die Praxis in den Niederlanden bislang nicht zu den überzeugenden Ergebnissen geführt. Der bei uns geltende Individualrechtsschutz muß bewahrt werden. Aber in der Tat: Das Hauptproblem liegt in der Regel im konkreten Nachweis einer Diskriminierung. Bevor wir allerdings hier vorschnell Neues einführen, sollten wir erstmal abwarten, wie sich das noch relativ junge, geschlechtsbezogene Benachteiligungsverbot im Arbeitsbereich in der Praxis auswirkt. Hier muß der Arbeitgeber ja im Zweifel darlegen, daß bei seiner Entscheidung gegen eine Person ausschließlich sachliche Kriterien eine Rolle gespielt haben.

Trifft es zu, daß die FDP bei den Koalitionsverhandlungen noch nicht einmal versucht hat, ihre Parteitagsbeschlüsse zur Gleichbehandlung nichtehelicher sowie gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften einzubringen, und daß die FDP einen Antidiskriminierungsgesetzentwurf der Grünen ablehnen wird?

Wir haben unsere Forderungen nach der Gleichbehandlung nichtehelicher und gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften eingebracht und auch immer wieder erhoben. Wir werden uns auch weiterhin für Verbesserungen einsetzen. Dagegen haben wir im Ausländerrecht bislang nicht alles erreicht, was wir uns vorgestellt haben. Für die erleichterte Hinnahme der doppelten Staatsbürgerschaft setzen wir uns auch weiterhin ein. Ein nicht voll durchdachtes Antidiskriminierungsgesetz jedoch, mit nur unbestimmten Blankettnormen, die in der Praxis keinerlei Wirkung zeigen, liegt nicht im Interesse der FDP und auch nicht im Interesse der Betroffenen. Interview: Hasso Suliak