Weißrussische Unterwerfung

■ Patrioten und Kommunisten Rußlands bejubeln die Anschlußgelüste des slawischen Bruders / Kritik der Reformer

Moskau (taz) – Weißrußlands Wähler erwiesen sich hörig und linientreu. Ein eindeutiges Ja in einem Referendum, das über eine wirtschaftliche Integration mit Rußland entscheiden sollte. Genau so, wie Präsident Lukaschenko es wollte. Ein Vertreter der nationalistischen Opposition kommentierte die Ergebnisse entsprechend zynisch: Die Leute hätten auch für einen Massenselbstmord durch Erhängen gestimmt, hätte es auf dem Wahlzettel gestanden.

Die Reaktion in Rußland auf den schmeichelhaften Heiratsantrag ist durchwachsen. Patriot und Außenminister Alexander Kosyrew begrüßte selbstverständlich die Entscheidung des Nachbarn: „Die Weißrussen haben den Beweis zur weiteren Integration der beiden Brudervölker erbracht.“

In Jubel brachen die Kommunisten aus, die ihre persönlichen Bezüge in US-Dollars, alles andere hingegen in Quadratkilometern rechnen. Sie konnten sich in der Prawda eines überschwenglichen Pathos nicht enthalten: „Das Votum muß ein Schlüsselerlebnis im Leben von Millionen in den Abgrund der Armut geschleuderter Menschen werden.“ Das Verbrechen der Liquidierung der Sowjetunion, schrieb das an Auflagenschwund leidende Organ in Anspielung an das Treffen der drei Präsidenten der slawischen Staaten in Minsk, habe „in Weißrußland seinen Anfang genommen und die Wiederauferstehung werde auch hier beginnen“.

Die liberalzentristische Tageszeitung Nesawissimaja Gaseta schätzt die Bereitschaft des Kreml, den Nachbarn für seine Treue zu belohnen, wohl richtig ein. Die Spekulationen Lukaschenkos auf wirtschaftliche Hilfe oder besser – Vollsubventionierung aus dem Moskauer Haushalt – dürften ins Leere gehen. Die Belastungen des russischen Budgets, das gewisse Stabilisierungstendenzen zeigt, wären gerade im Wahljahr zu hoch und zu riskant. Trotz offiziellem Frohlocken fällt das Referendum für den Kreml auf einen ungünstigen Zeitpunkt. khd