■ Ein warnendes Wort aus Frankfurt zur rechten Zeit
: Die grüne Gefahr

Der Republik droht Gefahr. Nicht von rechtsextremen Brandschatzern und Grabschändern, nicht von linksextremen Kommandos, sondern aus dem Bundestag und den Landtagen höchstselbst. Dort nämlich hat sich das eingenistet, was die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ gestern als den „parlamentarischen Rest der Friedensbewegung“ ausgemacht hat: die Grünen. Was sich vor anderthalb Jahrzehnten noch so harmlos in Strickpullovern, Jeans und Turnschuhen in entwaffnender Freundlichkeit präsentierte, mag „sich den üblichen Formen inzwischen ein Stück weit angepaßt haben“, stellt Leitartikler „fr“ fest, doch die Anpassung an die großen Parteien geht über dieses Faktum weit hinaus: denn es „wollen die Grünen inzwischen regieren“. Aber auch das könnte nicht schrecken – wenn man bloß wüßte, was die denn wirklich wollen. Ist es nicht gespenstisch, daß eine Partei, von der niemand weiß, was sie überhaupt will, Millionen von Stimmen auf sich vereinigt? Haben wir den 8. Mai zu früh gefeiert? Geht Deutschland einer neuen Diktatur entgegen?

Die Gefahr hat auch unser Mann aus Frankfurt am Main instinktsicher herausgespürt. „Sie wissen nur eines ganz genau: Niemand hat recht, außer ihnen“, weiß er von den Grünen – und folgert umstandslos: „Da gibt es in freundlichen Formen totalitäre Ansätze.“ So ganz originell ist der Gedanke allerdings nun auch wieder nicht. Schon vor über zehn Jahren hat Heiner Geißler als CDU-Generalsekretär den Pazifismus für Auschwitz verantwortlich gemacht. Damals strömten Hunderttausende auf die Straßen und Plätze der Republik, blockierten Kasernen und nötigten Soldaten. Die Friedensbewegung stand auf ihrem Höhepunkt. Nun sitzt ihr Rest zwar in den Parlamenten. Doch weshalb sollte der die totalitären Visionen aufgegeben haben?

„Die Grünen sind eine irrationale Partei“, schreibt der beunruhigte Leitartikler. Weit gefehlt! Genau das Gegenteil ist der Fall: Sie sind eine ausgesprochen rationale Partei. Wer regieren will, muß sich letztlich den gängigen Formen ein Stück weit anpassen. Es ist der beste Weg, die eigenen totalitären Absichten zu kaschieren. Und dieser Weg führt nun einmal von der Straße ins Parlament, vom Strickpullover zur Krawatte. Daß der so scharfsinnige Analytiker der F.A.Z die Rationalität grünen Handelns hier nicht mehr erkennt, erklärt sich wohl nur aus der berechtigten Angst eines gestandenen Demokraten vor einer neuen Diktatur, die mit dem Wahlsieg der Grünen in Bremen und Nordrhein-Westfalen nun wirklich ein gutes Stück näher gerückt ist. Und so kommt es, daß ausgerechnet die Zeitung, hinter der immer ein kluger Kopf steckt, denselben verliert. Thomas Schmid