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: Überdosis Menschlichkeit

„Für alle Fälle Stefanie“, Montag, 20.15 Uhr, Sat.1

Ein Haus brennt. Jede Etage steht in Flammen. Ein Feuerwehrmann schreit Befehle durch die Nacht, ein anderer hüllt wimmernde Menschen in Decken. Plötzlich erscheint ein Junge am Fenster im zweiten Stock, ruft verzweifelt um Hilfe. Da tritt sie, die rehäugige Stefanie, aus dem Dunkel ins lodernde Licht. „Ist es schlimm?“ fragt sie den Sanitäter. Nein, noch nicht. Der Pilotfilm zur neuen Sat.1-Serie läuft ja erst seit zwei Minuten. „Keine Angst!“ beruhigt Stefanie den geretteten Jungen. Bis sie gesteht, was zu befürchten war: „Ich bin Krankenschwester.“

Als Würdigung eines vernachlässigten Berufsstandes will Sat.1 die neue Eigenproduktion verstanden wissen. Als bewußtes Engagement in einem von Arztserien befallenen Programm. Doch was der Sender 52 Folgen lang zur besten Sendezeit in den OP und zur Visite schickt, taugt absolut nicht zur Galionsfigur.

Dabei ist Schwester S. (Nachname Engel) so engagiert und bemüht, wie es sich das deutsche Gesundheitsunwesen nur wünschen kann. „Wird gemacht!“ – „Na klar!“ und „Kein Problem“, sagt Stefanie und wandelt dann mit dem Temperament einer Valium durch die sterile Krankenhauskulisse. Was, außer Medikamentenmißbrauch, bleibt der „Idealbesetzung“ Kathrin Waligura bei diesem Drehbuch auch übrig?

Stefanies Lieblingsplatz ist nun mal auf der Bettkante der Problempatienten, wo sie mit zweitklassigen Sprüchen Erste Hilfe leistet. Mit der Sensibilität einer Einwegspritze erklärt sie dem Feuerwehrmann Grantke das Phänomen des Phantomschmerzes im amputierten Bein: „Wenn etwas wehtut, was nicht mehr da ist.“ Der alten Griese gestattet sie, ein Krankenhausbett länger als nötig zu blockieren, die verwaisten Kinder von Frau Bartus, die nicht mehr mitspielen wollte, gibt sie kurzerhand zur Adoption frei, und ganz nebenbei wird operiert und entbunden. Ganz schön patent, die Schwester Stefanie!

Daß der Engel der Warmherzigkeit nicht nur Kollegin Elke, ihrem Angetrauten und dann auch dem Zuschauer auf die Nerven geht, liegt in der Natur des Helfersyndroms. Denn bei soviel Verständnis- und Gefühlsduselei lassen die Nebenwirkungen nicht auf sich warten: die Sehnsucht nach der Wirklichkeit. Nach realem Pflegenotstandspersonal, das keine Zeit, keinen Bock und kein Mitleid hat. Und keinen Heiligenschein. Dirk Nitschke