Rosa-Grün wird an PDS nicht scheitern

■ Der PDS-Vorsitzende Lothar Bisky kritisiert das Programm seiner Berliner Genossen sehr zurückhaltend: "Es drückt nicht ganz das Lebensgefühl in Ostberlin aus" / Keine Generalvollmacht für mögliche...

taz: Sie haben auf dem PDS- Landesparteitag das Wahlprogramm als „links-verworren und kompliziert“ kritisiert. Ist damit Sprache oder Inhalt gemeint?

Lothar Bisky: Ich habe gesagt, daß das Programm sprachlich verbessert werden kann. Darin gibt es einige Wendungen, die schwer verständlich sind. Für den Wahlkampf muß man sich einerseits theoretisch mit vielerlei Wissen ausstatten, andererseits aber ist man immer gut beraten, wenn man eine Sprache und politische Schwerpunkte findet, die bei den Menschen gut ankommen, die ihr Leben berühren. Das erfüllt nicht unbedingt eine streng deduzierte Programmatik zu einem bestimmten Thema.

Die richtige Sprache finden und auf die Lebensfragen der Leute eingehen, das ist unabdingbar für einen Wahlkampf. Wir müssen die Sprache der Wähler sprechen, insbesondere die der Ostberliner.

Was vermissen Sie da im Programm?

Es drückt nicht ganz das Lebensgefühl in Ostberlin aus. Da kann man sich etwas mehr Mühe geben. Das Gute am Programm ist, daß Berlin als eine Stadt behandelt wird.

Ist das nicht das Grundproblem der PDS – der Spagat zwischen Ostbefindlichkeiten und dem Versuch, im Westen Fuß zu fassen?

Das ist natürlich die schwierige Aufgabe, die wir haben. Ich habe das Wahlprogramm deshalb auch nicht grundsätzlich kritisiert. Ich habe nur gemeint, man sollte hier Verbesserungen vornehmen.

Der jetzige Entwurf des Wahlprogramms scheint streckenweise vom grünen Grundsatzprogramm von 1980 abgeschrieben zu sein. Aber 1.500 Mark Grundeinkommen für jeden – diese Forderung der PDS heute haben damals nicht mal die Grünen erhoben.

Das ist eine soziale Grundsicherung, die wir auch im Bundestagswahlprogramm drin hatten.

Gegen eine soziale Grundsicherung ist ja nichts einzuwenden. Aber 1.500 Mark im Monat, das ist doch purer Populismus.

Ich finde nicht, daß das Populismus ist. Ich finde es ziemlich schrecklich, daß Menschen auf der Straße liegen und daß wir so viele haben, die unterhalb des Existenzminimums leben. Wir haben im übrigen auch Vorschläge zur Finanzierung auf den Tisch gelegt.

Keine bedingungslose Anbiederung an Rot-Grün, haben Sie gefordert. Sind Sie da zufrieden, daß der Parteitag entgegen dem Wunsch des Landesvorstandes keinem allgemeinen Tolerierungsangebot zugestimmt hat?

Nicht unbedingt. Auf dem Parteitag ist das ja kontrovers debattiert worden. Ich halte die Festlegung für gut, daß man eine solche Frage in Ruhe behandelt und sachlich prüft, wenn sie sich stellt. Jetzt muß man zum Ausdruck bringen, daß eine rosa-grüne Koalition an der PDS nicht scheitern wird.

Muß man das so verstehen, daß Sie ein Tolerierungsangebot ins Blaue hinein, ohne Prüfung des politischen Inhalts einer möglichen Koalition, ablehnen?

Wir werden von der Grundaussage nicht abgehen, daß Rosa- Grün an uns nicht scheitern wird. Dann aber ist von Fall zu Fall zu prüfen: Wo kann ich zustimmen, wo nicht? Generalvollmachten würde ich nicht gerne erteilen.

Gregor Gysi hat mit Blick auf sechs Nicht-Parteimitglieder unter den ersten zehn KandidatInnen auf der Landesliste gefragt, ob man bei der PDS erst austreten müsse, bevor man aufgestellt wird. Auch Modrow hat gesagt, daß sich die Ostberliner mit der Landesliste nicht richtig vertreten fühlen. Sehen Sie das auch so?

Gysi hat eine stattfindende Diskussion reflektiert. Es ist schwer, wenn man eine Partei ist und zugleich eine offene Liste politisch will. Ich halte eine offene Liste für richtig. Und ich würde nicht gerne debattieren, ob nun einer zuviel oder zwei zuwenig aus der PDS da drauf sind. Interview: Gerd Nowakowski