Holzhacker müssen die Luft anhalten

Für Arbeitnehmer unter freiem Himmel gelten bislang keine Ozongrenzwerte / Arbeitsministerium muß neu nachdenken / Umweltministerium hat „unheimlich viel getan“  ■ Von Annette Jensen

Berlin (taz) – Maurer und Holzfäller dürfen ihr Werkzeug nicht fallen lassen, wenn die Ozonkonzentrationen an ihren Arbeitsplätzen extrem hoch werden. Und auch der taz-Reporterin ist es nicht vergönnt, sich an heißen Sommertagen mit dem Hinweis auf zu viele dreiatomige Sauerstoffmoleküle in der Luft auszuloggen. Ihre Arbeitgeber können schließlich nichts dafür, daß in dieser Republik soviel Auto gefahren wird – folglich können sie ihren Angestellten auch keine gute Luft verschaffen. So jedenfalls sieht es die Gefahrstoffverordnung vor. In deren Katalog werden jedes Jahr die Vorschläge der sogenannten MAK-Kommission eingearbeitet, die dem Arbeitsministerium die „maximale Arbeitsplatzkonzentration bedenklicher Stoffe“ vorgibt.

Die MAK-Kommission, die im August ihre Liste veröffentlichen wird, hat Ozon jetzt unter der Rubrik „begründet krebsverdächtig“ eingeordnet (siehe taz vom 15. Mai). Schon früher hatten die Experten das Gas als gesundheitsgefährdend eingeschätzt und deshalb einen Grenzwert von 200 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft festgelegt, der im Mittelwert einer achtstündigen Schicht nicht überschritten werden durfte. Das einzuhalten war allerdings bisher selbst bei Arbeiten unter freiem Himmel kein Problem, weil die Werte meist erst gegen Mittag über 200 Mikrogramm kletterten. Bei einem Richtwert von 100 Mikrogramm Ozon pro Kubikmeter Luft sieht das allerdings ganz anders aus.

„Die Situation jetzt ist völlig neu“, kommentiert André Große- Jäger, Referent für Gefahrstoffe im Bundesarbeitsministerium. Bisher habe man lediglich mit Giften und Gefahrstoffen zu tun gehabt, die durch Maschinen oder Materialien am Arbeitsplatz selbst entstanden seien. Ozon aber ist an sonnigen Sommertagen überall und besonders stark in sogenannten Reinluftgebieten vorhanden. Zwar kann der Kontakt der Menschen mit Ozon nicht als „Umgang“ mit dem Stoff im Sinne der Gefahrstoffverordnung gelten, gibt Große-Jäger zu bedenken, andererseits schreibe die Arbeitsstättenverordnung aber vor, daß die Luft gut sein muß. „Wie wir jetzt damit umgehen, darüber müssen wir noch nachdenken.“

Im Umweltministerium räumt Sprecher Franz Emde ein, daß der Verdacht, Krebs auszulösen, dem Ozonproblem noch „eine andere Gewichtung“ gebe. Es gehe vor allem darum, mit langfristigen Strategien die Ozonvorläufersubstanzen Stickoxide und Kohlenwasserstoffe zu verringern. Beim Autoverkehr verweist Emde auf altbekannte Strategien: Bis 1997 müßten alle Tanksäulen mit Saugrüsseln ausgestattet sein, so daß weniger Benzin verdunstet. Und die emissionsabhängige Kfz-Steuer liege inzwischen zur Ausarbeitung beim Finanzminister. „Es wurde schon unheimlich viel getan“, behauptet Emde.

Doch selbst von den Werten, die vor dem Krebsverdacht als gesundheitlich unbedenklich galten, ist Deutschland meilenweit entfernt. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hält 100 bis 120 Mikrogramm Ozon pro Kubikmeter Luft über acht Stunden für erträglich – oder 150 bis 200 Mikrogramm eine Stunde lang. Umweltministerin Angela Merkel hingegen möchte erst handeln, wenn 300 Mikrogramm erreicht worden sind.