Vom Winde gedreht

■ Hintergrund Energie: Stand, Technik und Zukunft der Windkraftnutzung in Deutschland / Angebote zur Beteiligung an Windparks sind schnell überbucht

Recht stürmisch entwickelt sich seit nunmehr fünf Jahren die Nutzung der Windenergie in Deutschland: Die Branche wächst alljährlich um rund 50 Prozent.

Aus den störanfälligen Erstversuchen der 80er Jahre und den Ausflügen in die Großtechnologie hat sich eine zuverlässige, umweltfreundliche Energietechnik entwickelt. Zwar ist „Growian“, so der Name einer der großen unter den Windkraftanlagen, bei manchen in der Szene noch immer ein Schimpfwort, doch drehen heute immerhin schon rund 2.800 Anlagen ihre Flügel im Wind – über 90 Prozent davon im Besitz von Privatpersonen und Landwirten. Diese Anlagen erzeugen jährlich 1,5 Milliarden Kilowattstunden (kWh) Strom, ausreichend zur Versorgung von 480.000 Haushalten mit durchschnittlichem Verbrauch. Allein 1994 wurden 834 neue Windkraftanlagen errichtet.

Naturgemäß gibt es in den norddeutschen Küstenländern Schleswig-Holstein und Niedersachsen die größte Zahl an Anlagen: Im Land zwischen Nord- und Ostsee sind 1.000 Konverter in Betrieb, Niedersachsen zählt 100 weniger.

Moderne Windkraftanlagen sind ausgereifte, technische Geräte, die schadstoffrei Strom erzeugen. Noch 1990 galten Konverter mit 250-Kilowatt-Generatoren schon als große Anlagen – üblich waren Mühlen mit 75 bis 100 Kilowatt Leistung, wobei letztere an einem Küstenstandort etwa 250.000 kWh Strom erzeugt.

Seit 1993 sind die schon serienmäßig gefertigten Typen der 500er-Klasse weit verbreitet: Sie leisten 500 bis 600 Kilowatt (kW), ihre Rotoren haben einen Durchmesser von 40 bis 44 Meter und ihre Türme sind zwischen 40 und 65 Meter hoch. Doch trotz dieser Baugröße wirken die Enkel der einstigen Windmühlen in der Landschaft mitunter filigran. Ausgeklügelte Steuerungen ermöglichen an günstigen Standorten bis zu 7.000 Betriebsstunden und die Produktion von bis zu 1,5 Millionen Kilowattstunden Strom pro Anlage und Jahr. Die Lebensdauer der „sanften Riesen“ wird von den Herstellern mit 20 Jahre angegeben.

Der Windenergiemarkt zeichnet sich im Gegensatz zu manch anderen Branchen durch starkes Wachstum aus. Rund 5.000 Menschen sind bei Herstellern, Zulieferern und Dienstleistungsunternehmen beschäftigt. Der Umsatz der Branche hat die Milliardengrenze bereits überschritten.

Doch stößt diese für die Windenergie und für unser Klima erfreuliche Entwicklung nicht überall auf Begeisterung: Viele Energieversorgungsunternehmen (EVU) bekämpfen diese Konkurrenz sogar mit zum Teil gesetzeswidrigen Mitteln. So ist seit 1991 das Stromeinspeisungsgesetz in Kraft, welches Betreibern von Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energie bei der Einspeisung von Strom in das Versorgungsnetz eine feste Vergütung garantiert.

In der jüngsten Vergangenheit jedoch verweigern verschiedene EVU den Betreibern die ihnen zustehenden Gelder. Konkret sind dies die Stadtwerke Geesthacht, die mit juristischer Rückendeckung der Schleswag AG aus Rendsburg einem Windenergiebetreiber die gesetzeskonforme Vergütung verweigern, sowie die Kraftübertragungswerke Rheinfelden, die einem Wasserkraftbetreiber ebenfalls die Macht der Monopolisten demonstrieren. Beide Unternehmen fordern die solcherart Geschädigten unverblümt zur Klage gegen diesen Gesetzesbruch auf. Ziel dieser von ihnen provozierten Prozesse, die von der Energiewirtschaft durch alle Instanzen bis zum Bundesverfassungsgericht geführt werden sollen, ist die Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des Stromeinspeisungsgesetzes und die stille Hoffnung, damit die unliebsame Konkurrenz auf „kaltem Wege“ auszuschalten.

Deshalb hat die gemeinnützige Deutsche Gesellschaft für Windenergie in Hannover ihre Mitglieder zu Spenden für einen Prozeßkostenfonds aufgerufen. Mit diesem Geld soll vorrangig ein Rechtsgutachten über die Verfassungsmäßigkeit des Stromeinspeisungsgesetzes finanziert werden.

Die scheinbar allmächtige deutsche Stromwirtschaft findet in ihren Anstrengungen zur Verhinderung der Windenergie auch in den Verwaltungsspitzen Verbündete: Der Landrat des Kreises Nordfriesland beispielsweise wird nicht müde, allerorts den von ihm vermeintlich erkannten und angeblich durch Windkraftanlagen verursachten volkswirtschaftlichen Schaden anzuprangern. Doch ungeachtet der Widerstände dieser Atomenergie-Koalitionäre will die Bevölkerung die sanften Energien, wie die Angebote zur Beteiligung an „Bürgerwindparks“ beweisen: Sie sind schon nach kurzer Zeit überbucht.

Wirtschaftliche Erwägungen sind bei den Anteilskäufern oft zweitrangig. So wächst auch im windarmen Binnenland – trotz minimaler Renditeerwartungen – beständig das Interesse. Ohne finanzielle Förderung durch Bund und Länder sind Windenergieprojekte nur an wenigen sehr guten Standorten realisierbar. Eine breit angelegte Markteinführung dieser Technik bedarf der Unterstützung durch den Fiskus. Die gesetzliche Vergütung von zur Zeit 17,28 Pfennig für jede in das öffentliche Stromnetz eingespeiste Kilowattstunde reicht für einen wirtschaftlichen Betrieb an allen interessanten Standorten nicht aus.

Doch es ginge auch anders: Viele Landkreise an der Küste und im Binnenland haben die Zeichen der Zeit bereits erkannt und Flächen für die Errichtung von Windkraftanlagen ausgewiesen. Bauanträge für Projekte innerhalb dieser Gebiete bieten demzufolge eine hohe Planungssicherheit.

Die Anlagenhersteller orientieren sich nun auch auf den Export ihrer Produkte. Der Inlandmarkt ist begrenzt, der wachsende Energiebedarf im Fernen Osten verlangt nach zuverlässigen und gleichzeitig klimaschonenden Lösungen. Indien, China, die Ukraine und Rußland gelten als Märkte der Zukunft. Doch ist die Konkurrenz der dänischen, niederländischen und amerikanischen Hersteller im Exportgeschäft besonders stark. Diese Firmen sind schon seit mehr als zehn Jahren international aktiv und nutzen derzeit diesen Erfahrungsvorsprung.

Werden die politischen Vorgaben der Länder umgesetzt, so können in Deutschland bis zum Jahr 2005 mehr als 3.000 Megawatt zusätzliche Leistungen aus Windenergie installiert werden. Nimmt man die 500er-Klasse als Maßstab, dann müßten in den kommenden zehn Jahren rund 6.000 Anlagen neu errichtet werden. Die Entwicklungsabteilungen der Hersteller arbeiten derzeit an „Megawattmaschinen“, das heißt Windkraftanlagen mit Generatorleistungen von 1.000 kW und mehr. Der Hauptvorteil dieser größeren Konverter ist der geringere Platzbedarf für Windparks bei gleicher installierter Gesamtleistung. Das Problem der „optischen Landschaftsverschandelung“ soll dadurch verringert werden, obwohl diese Maschinen mit über 50 Metern Rotordurchmesser noch deutlich größer sind als die „mittleren“ Anlagen. Offen ist noch die Frage nach der Finanzierung der 3.000 Mw Windleistung. Angesichts leerer Kassen können bauwillige Betreiber kaum noch mit öffentlichen Zuschüssen aus dem Staatssäckel kalkulieren.

Die Rufe nach einer Energiewende werden jedoch immer deutlicher, das Engagement der Bürger für die Windenergie und die anderen „Erneuerbaren“ nimmt stetig zu. Vor diesem Hintergrund besteht Grund zum Optimismus, daß der Aufschwung der Windenergie in Deutschland trotz aller Widerstände noch einige Jahre anhält. Joachim Behnke

Der Autor ist Bundesgeschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Windenergie, Hannover