Vorschlag

■ „Janek, der Wassermann“ – ein katholisches Märchen im fsk

Janek ist das, was man einen schönen alten Mann nennen könnte. Zusammen mit seiner jungen Frau Weronka, die er vergöttert, lebt er still auf einem Bauernhof. Janko ist ein Sonderling. Deshalb denkt er gern und lang auf einer kleinen Bank vor dem Haus darüber nach, was wohl warum und wohin fließt. Damit sie ein Kind kriegen, muß seine Frau zum Beispiel nach Nächten scheuer Geschlechtlichkeit immer den Kopf nach unten in der Küche hängen. Die Bilder der stillen Gesichter, Landschaften und Bauernhäuser sind sanft und leicht, wie die seltsam wehmütigen Lieder, die Janeks Geschichte verdoppeln. Irgendwann entdeckt Janek, daß er dem Wasser gebieten kann. Wenn er will, fließt es den Dachfirst hinauf oder fällt als Regen vom Himmel. Als Wunderheiler, mit einem Bottich guten Wassers auf dem Rücken, zieht er von nun an über die Dörfer.

Auf seinen Wanderungen trifft er den jungen Stigma, der auf Marktplätzen als Christusremake auftritt und es – nomen est omen – aus den bekannten Stellen bluten läßt. Im Gegensatz zu Janek läßt er sich seine Gaben bezahlen und verspottet den Edelmut des Alten. In einem kleinen Dorf begegnet Janek einem jungen Mädchen. Nachdem es von seinem Geliebten verlassen worden war, nisteten sich rote Würmer in seinen Augen ein. Janek heilt es mit seinem Wasser. Es revanchiert sich damit, daß es zu ihm ins Heu kriecht. Stigma freut sich über die Schwäche des alten Mannes, der zum erstenmal eine Gegengabe akzeptierte. Von nun an betätigt er sich als Janeks Manager und führt ihm die Lahmen, Kranken, Blinden zu. Geheilt wird nun quasi im marktwirtschaftlichen Akkord, und die Gemeinschaft der Geheilten belohnt den Wundermann fürstlich. Sie bauen ihm ein Haus, versorgen ihn mit den besten Dingen, schöne Frauen liegen ihm zu Füßen. Ein kleiner Hofstaat entsteht. Janek heilt und heilt; die Jahreszeiten kommen und gehen, und sein weißer Bart wächst so lange, bis sein Kopf an eine Marxkarikatur erinnert.

Zu Hause wartet indessen seine schwangere Frau Weronka auf ihren Mann, der irgendwann mitsamt seinem Hofstaat auch vorbeikommt. Bleiben will er nicht, mag seine Frau noch so schwanger sein. Er verspottet die schüchtern weiße Unterwäsche der Ehefrau – seine Groupies tragen westliche Negligés. So bekommt sie ihr Kind ganz allein, das – o Schreck! – ein keckes Teufelsschwänzchen hat. Sie pilgert zu Janek, dem es nicht gelingt, das eigene Kind zu heilen. Seine Wunderkräfte versiegen; die Geheilten werden wieder krank. Er wird verjagt und findet sich wieder auf der Bank vor seinem alten Haus. Fünf Jahre lang bleibt er unbewegt dort sitzen und versucht, die Zeit zurückzudrehen. Am Ende findet er zurück ins einfache Leben.

Kolskis dritter Spielfilm, der 1993 beim Cottbusser Festival des osteuropäischen Films ausgezeichnet wurde, erzählt ein katholisches Märchen. Wollte man die Geschichte auf eine einfache Aussage reduzieren, so wäre sie wohl provinziell und reaktionär: Frauen sind Huren oder Heilige, Männer ziehen hinaus in die Welt; am schönsten ist es, im Einklang mit der Natur auf dem Land zu leben. Dem Film allerdings würde man damit nicht gerecht werden, denn Kolski spielt mit dem einfachen Muster einer Geschichte, die als Märchen immer schon Zitat ist. Wenn Janek einmal an Marx erinnert, ein anderes Mal an Bhagwan denken läßt, wenn er fünf Jahre lang auf seiner kleinen Bank verwittert, um plötzlich wieder munter aufzustehen, so hat das nichts zu tun mit dem oft distanzlos-peinlich-existentialistischen Katholizismus eines Kieslowski oder Heidegger. Detlef Kuhlbrodt

Janek, der Wassermann; Regie: Jan Jakub Kolski, Polen 1993. Bis zum 24. Mai täglich um 22 Uhr im fsk am Oranienplatz, Kreuzberg.