Stille Post am Kollwitzplatz

■ Ohne den Telefonanruf eines Bündnis-Abgeordneten hätte es in der Nacht zum 1. Mai keinen Polizeieinsatz gegeben / "Schnellschuß" des Bezirksamts kritisiert / Kiezpalaver am Samstag

Es ging am 1. Mai nicht um Schlagstöcke und Tränengas, sondern um eine Rasenfläche und einen Spielplatz. Weil sich Nilson Kirchner, Mitstreiter bei Netzwerk Spielkultur und für das Bündnis Prenzlauer Berg in der BVV, um den soeben fertiggestellten Kollwitzplatz sorgte, griff er in der Woche vor der Maifeier zum Telefonhörer. Er informierte den Leiter des Grünflächenamts, Krause, darüber, daß auch in diesem Jahr wieder mit einem Walpurgisnacht- feuer zu rechnen sei und vereinbarte mit dem Amtsleiter, daß Verbotsschilder rund um den Platz aufgestellt werden.

Außerdem sollte der Platz bereits vorher bewässert werden, um eventuelle Brandschäden zu begrenzen. Am Donnerstag vor dem 1. Mai griff Krause dann seinerseits zum Telefonhörer und informierte die Polizeiwache in der Schönhauser Allee.

Die einen Grünen riefen, und die anderen Grünen kamen. Das Walpurgisfeuer wurde gelöscht und der Platz von einer Charlottenburger Einheit mit Hilfe von Wasserwerfern und Tränengas geräumt. In der Folge lieferten sich 600 Polizisten mit 2.000 Feiernden eine Straßenschlacht. Daß die Prenzlauer-Berger Polizei ohne den Hinweis aus dem Bezirksamt gar nicht auf die Walpurgisnacht vorbereitet gewesen wäre, erklärte der Einsatzleiter in einem Gespräch mit dem Bündnis Prenzlauer Berg. Mit Krawallen habe man erst am 1. Mai gerechnet, die Einsatzleitung sei deshalb auch erst um null Uhr an die Landespolizei übergegangen.

Doch nicht nur Nilson Kirchner sorgte sich um den Platz, auch Bürgermeister Dennert wurde aktiv. Er hatte, so auf einer BVV-Sitzung am Mittwoch abend, zwar keinen Hinweis darauf, „daß am 30. April auf dem Kollwitzplatz eine Sondernutzung öffentlichen Straßenlandes geplant war“, habe aber dennoch die Polizei gebeten, „ein Auge auf den Platz zu werfen“. Schließlich gelte, so Dennert, seit der Sanierung auch ein Hundeverbot auf dem Platz, das es durchzusetzen gelte. Dennert versprach, im nächsten Jahr alles besser zu machen und schlug unter anderem vor, „das Wurfmaterial künftig zu verschließen“.

Wie der Polizeieinsatz in der Nacht zum 1. Mai zu bewerten sei, darüber durfte in der BVV dann doch gestritten werden. Dennert informierte über einen offenen Brief von 21 Anwohnern, in dem mit rechten Tendenzen und dem Griff zur Selbsthilfe gedroht wurde. Das Bündnis Prenzlauer Berg nannte den nächtlichen Einsatz „skandalös und absolut unnötig“. Kritisiert wurde auch der „Schnellschuß“ des Bezirksamt vom 2. Mai, die Festgenommenen für die massiven Schäden verantwortlich machen zu wollen.

Unterdessen laden mehrere Kiezinitiativen Augenzeugen und Betroffene zu einem Kiezpalaver am morgigen Samstag um 16 Uhr in die Kollwitzstraße 66. Dort soll unter anderem beraten werden, wie man sich gegen die Kriminalisierung des Bezirks zur Wehr setzen kann. Uwe Rada