Durchs Dröhnland
: Texte von den Hauswänden

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Irgendwie dann doch schön, daß es so altmodischen Heavy Metal noch gibt. Und das so ausdrücklich wie bei Blind Guardian. Da ist alles dabei: Bilder wie auf Fantasy-Comic-Covern, dunkle Wolken und fairy tales in den Texten, episches Gitarrengezupfe neben gemütlichem Bollern und dann noch die Coverversion von Uriah Heeps „The Wizard“.

Über die schrieb der Rolling Stone mal: „Wenn man sie mag, dann mag man sie. Wenn man Musik mag, mag man sie nicht.“ Ähnliches läßt sich auch über Blind Guardian sagen. Also ich mochte Uriah Heep mal sehr.

Morgen, 20 Uhr, Huxley's Neue Welt, Hasenheide 108-114, Neukölln

Das Aufregendste an den Keatons ist die Tatsache, daß der Texter und Komponist ihrer Songs nicht mit auf Tour geht, der selbstverfaßten Legende zufolge wegen eines „unglücklichen Unfalls mit einem Teleskop und seiner Assistentin Alison, was es ihm unmöglich macht, live aufzutreten — außerdem hat er drei Kinder“. Versprochen werden aber dafür ausdrücklich Songs, die „des Lebens bittere Ironie“ aus der Sicht eines „zynischen Genies“ reflektieren. Was bei den Londonern am Ende rauskommt, ist eine flotte Version guten alten englischen Wave- Pops, der ein bißchen beim Punk tankt und andauernd bei John Peel gespielt wird.

Morgen, 22 Uhr, Schoko-Laden Mitte, Ackerstraße 169/170

Austin ist ein gottverlassenes Dorf mitten in der texanischen Einöde, aber gesegnet mit einer quicklebendigen Szene, die weder vor Hardcore noch Country zurückschreckt, aber vor allem einige der allerbesten Singer/Songwriter des US-Untergrunds zu bieten hat. Michael Hall ist einer von ihnen, auch wenn er immer in voller Bandbesetzung zu spielen pflegt. Vor allem sein knarztrockener Humor hat es vielen angetan und führte zu solchen kleinen, lokalen Hits wie „Let's Take Some Drugs and Drive Around“, einem lakonischen Kommentar zur verlogenen Regierungskampagne „Don't Drink and Drive“. Seine Band spielt dazu einen kunstvollen, aber sehr zurückgenommenen Country-Rock. Richard Buckner dagegen kommt meist ganz spartanisch daher und steht eher in einer Tradition, die sich an den Klagegesängen von Gram Parsons oder Townes van Zandt orientiert. Seine Texte, die er mit einer obskur belegten Stimme vorträgt, die nie so recht aus ihrer Haut kommt, drehen sich nahezu ausschließlich um den eigenen Bauchnabel, aber dabei gelingen ihm wundervoll dürre Sätze: „I thought of you / A lake I drink.“

Am 15.5., 21 Uhr, Huxley's Jr.

Nur ganz vage sind Bratsch in Frankreich lokalisiert, denn keiner der fünf läßt sich eindeutig einer Nationalität zuordnen. So vielfältig wie die Ethnik sind auch ihre musikalischen Einflüsse, das Ergebnis nannte die Süddeutsche Zeitung „imaginäre Folklore“, weil Bratsch aus nahezu allen Volksmusiken Europas schöpfen, ohne sich eindeutig zuordnen zu lassen. Auch wenn die FAZ „Party-Intensität“ entdeckte, sorgt die Instrumentierung mit Akkordeon, Kontrabaß, Bouzouki, Klarinette und die rauchige Stimme, die mal griechische Melodieführungen benutzt, mal arabische Linien zweckentfremdet, für eine eher melancholische Grundstimmung, die aber dauernd in jazzigen Ecken rumsteht.

Am 16.5., 20 Uhr, Passionskirche, Marheinekeplatz, Kreuzberg

Selbst auf ihrer brandaktuellen Platte „I Was A Mod Before You Was A Mod“ kultivieren die Television Personalities immer noch ihren Hang zum Dilettantismus, ohne jedoch gleichzeitig auf den großen Pop-Entwurf verzichten zu wollen. Dieser Ansatz zwischen den Stühlen machte sie Ende der 70er einzigartig, als sie sich die Motive aus den großen Gesten der Popgeschichte holten, um sie im Geiste des Punk umzusetzen. Und auch fast 20 Jahre später haben sie nicht etwa spielen gelernt, sondern sich ihren tolpatschigen Charme erhalten.

Mit dabei sind noch die Bartlebees aus München. Dieses Trio entwickelte eine romantische Liebe zum englischen Pop und der eigenen Garage. Die TVPs durften bisher in keiner Beschreibung der Bartlebees fehlen, auch weil deren Dan Treacy schon mal bei den Münchnern die Orgel aushilfsweise bediente.

Am 17.5., 21 Uhr, mit Groovy Cellar und Weirdo Stompers, K.O.B., Potsdamer Straße 157, Schöneberg

Wenn Die Skeptiker „Deutschland halt's Maul“ anstimmen, könnte man meinen, Slime wären in einen Jungbrunnen gefallen. Und Sänger und einziger Bandfixpunkt Eugen Balaskat gibt gerne zu, daß er seine Texte teilweise aus Parolen zusammensetzt, die er an Hauswände gesprüht vorfindet. Der Erfolg, den die vorher volkseigenen Punkrocker im Westen hatten, überraschte aber dann doch, weil die Texte immer von einem dezidierten Ost-Standpunkt aus geschrieben waren und sind.

Auch auf der neuen Platte „Stahlvogelkrieger“ wird gleich im ersten Stück klargestellt, wo sich die Band selbst verortet: „Hoffen auf das Ende, auf die Wende, auf die Macht (...) Keiner will Verlierer, alle wollen Sieger.“ So bedienen die Skeptiker eine freundliche kleine DDRomantik und bestärken gleichzeitig westdeutsche Autonome darin, daß der andere deutsche Staat doch der bessere war. Auch wenn sie mit der Zeit ein wenig metallischer wurden, wird ihre Musik doch fast ausschließlich von Balaskats prägnanter teutonischer Stimme zusammengehalten. Die ist immer einen Tick zu ausgeprägt artikuliert, erreicht aber so Markenzeichenqualitäten.

Am 17.5., 20.30 Uhr, Kulturbrauerei, Knaackstraße 97, Prenzlauer Berg

Die Straitjacket Fits klangen nie so böse und gemein, wie sie es allem Anschein nach wollten. Aber dafür wurden wohl selten souveräner solch dräuende Songs so schaumig-locker dahergespielt, als wär das alles nichts, inklusive Bowie mittlere Phase als verdaulicher Schatten seiner selbst. Dieser Locker-flockig-Pop war natürlich wieder einmal in Neuseeland zu Hause, und noch im letzten Jahr holten sie bei den „New Zealand Music Awards“ die Preise mit der Schubkarre ab. Gitarrist und Sänger Mark Petersen war das aber nichts, er verließ die Band, arbeitete als Kameramann für eine neuseeländische TV-Station und machte fortan selbständig Musik, die ganz entschieden psychedelischer und bösartiger daherkommt, oft an Space-Rock bekannter Protagonisten wie Hawkwind erinnert, sich zwar nicht allzu ernst nimmt, aber dafür leider die Popqualitäten seiner alten Band vermissen läßt. Das völlig unpassende Vorprogramm bestreiten die Froghburger aus Berlin, deren überaus stumpfer Rock gut verzichtbar wäre.

Am 18.5., 22 Uhr, freier Eintritt, Duncker, Dunckerstraße 64, Prenzlauer Berg; 19.5., 23 Uhr, Eimer, Rosenthaler Straße 68, Mitte; 20.5., 22 Uhr, Café Geierwally in der Brotfabrik, Prenzlauer Promenade 3, Weißensee; 21.5., 22 Uhr, Ex'n Pop, Mansteinstraße 14, Schöneberg Thomas Winkler