■ Das Portrait
: Auf freiem Fuß

„Überfallartig rausgeschickt“, kommentierte er noch vor rund zwei Wochen die Entlassung seines Kollegen Lutz Taufer – jetzt ist er selbst frei. Das frühere Mitglied der Roten Armee Fraktion, Karl-Heinz Dellwo, wurde gestern nach mehr als 20 Jahren Haft aus dem Knast in Celle entlassen.

So hopplahopp, wie die Entlassung Taufers am 26. April erfolgte, so kam es auch im Falle Dellwos. Bis vor wenigen Tagen hatte es noch geheißen, der Entlassungsantrag sei „im Augenblick noch nicht ganz entscheidungsreif“. Dann überschlägt sich die Bürokratie, das zuständige Oberlandesgericht Düsseldorf entscheidet über die vorzeitige Haftentlassung am Dienstag, am Mittwoch ist er frei.

Karl-Heinz Dellwo

Foto: Marily Stroux

Dellwo gehörte mit Taufer und dem noch inhaftierten Knut Folkerts dem „Kommando Holger Meins“ an, das am 24. April 1975 die deutsche Botschaft in Stockholm überfiel. Die drei zählen zu den Dissidenten unter den RAF-Gefangenen. Nach der Gewaltverzichtserklärung der RAF im April 1992 hatten sie sich aufgemacht, eine politischen Lösung zur Beilegung der Gefangenenfrage zu suchen. Über den Rechtsanwalt Christian Ströbele, den Industriellen Edzard Reuter und den Vorsitzenden des Zentralrates der Juden, Ignatz Bubis, versuchten sie zu eruieren, unter welchen Bedingungen eine Freilassungsperspektive für die früheren Guerillakämpfer aus der RAF zustande kommen könnte. „Verrat!“ riefen daraufhin die andereren RAF-Gefangenen und vollzogen den Bruch im Gefangenenkollektiv.

Das sechsköpfige „Kommando Holger Meins“ war 1975 mit dem Versuch gescheitert, 26 GesinnungsgenossInnen aus den deutschen Hochsicherheitsgefängnissen freizupressen. Im Verlauf des Überfalls auf die Stockholmer Botschaft tötete die Gruppe zwei Angehörige der diplomatischen Vertretung, auch zwei der RAF-Aktivisten kamen ums Leben. Die überlebenden Kommandomitglieder wurden 1977 in Düsseldorf zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt. Bundespräsident von Weizsäcker begnadigte vor einem Jahr den schwererkranktenBernd Rößner. Von den „Stockholmern“ sitzt jetzt nur noch Hanna Krabbe in Lübeck in Haft. Das Haftentlassungsverfahren Dellwos lief seit Ende 1992. Damals hatte Dellwo für sich, Taufer, Krabbe und drei andere Inhaftierte erklärt: „Keiner von uns wird nach seiner Entlassung zum bewaffneten Kampf zurückkehren.“ Wolfgang Gast