■ Lust auf gepflegten Beat? Musiksuiten machen es möglich
: Im Bett mit Jerry Garcia

Los Angeles (taz) – So ein bißchen verflossene Zeit kann unglaublich adeln. Man nehme nur das surrealistische Kissen von anno 67. Dieser Tage ziert es die Kingsize-Betten nobler Herbergen in Los Angeles und anderswo. Gehobenere Kreise betten ihr müdes Haupt gern etwas origineller – in Musiker-Suiten, dem vorläufig letzten Schrei des Entertainments. Im September 1994 richtete das Triton Hotel in San Francisco eine Suite mit Bildern des einstigen Kunststudenten und nachfolgenden Grateful Dead-Leaders Jerry Garcia ein. Die feine Bleibe zu 249 Dollar die Nacht ist seither zu mehr als 90 Prozent ausgebucht. Auch das dezent-teure Beverly Prescott in Los Angeles wollte seinen Gästen die Designerdröhnung nicht vorenthalten. In Beverly Hills und nahe dem Rodeo Drive, der teuersten Einkaufsmeile der Welt, gelegen, eröffnete es im Januar diesen Jahres seine eigene Jerry-Garcia-Suite. Motto: Unter den Fittichen des Deadhead-Gurus zu ratzen, ist der gesündere Trip. Wer die Zimmernummer 807 bucht, berappt 300 Dollar für den Blick auf emsige Baggerfahrer, die den künftigen Golfplatz des Beverly Prescott planieren. Sicher verfügt das Hotel über Zimmer mit schönerem Ausblick, aber denen fehlen schließlich die Originalkunstwerke. Zum Beispiel das kleine grüne Rockermännchen mit der rosa Gitarre, die schlichten Landschaften, „Draculas Herz“, das „Karussel“ und jenes heitere Bild, das Eskimo und Alien beim Verkehrsunfall zeigt. Nicht zu vergessen ein farbenprächtiges Arrangement aus Seidenkrawatten: jede einzelne von Garcia, an dem nie eine Krawatte gesehen wurde, persönlich entworfen. Schon im Foyer des Beverly Prescott grüßen Jerry und Whoopi Goldberg vom Plakat und verraten, wo es „Jerry Garcia Neckwear“ zu kaufen gibt – bei Bloomingdales und Macys nämlich. Prominente wie Phil Jackson, Trainer der Chicago Bulls, haben den Schlipsen zu einem mächtigen Popularitätsschub verholfen. Ganz gleich ob man nun mit oder ohne Krawatte aufzutreten pflegt, in Zimmer Nummer 807 erfreuen vierzehn gerahmte Dauerleihgaben von Jerry Garcia, jede an die 40.000 Dollar wert, allesamt solide versichert und noch solider in den Zimmerwänden verankert. Die beiden letzten Informationen übermittelt Steven Barnes, Senior Sales Manager des Beverly Prescott, mit besonders charmantem Lächeln. Wer auf die Idee kommen sollte, sich ein kleines Souvenir einzupacken, der werde „juristisch und finanziell“ belangt, möge es sich auch nur um die mit einem mißmutigen gelb-roten Fisch bestickten Bademäntel und Handtücher handeln. Dennoch hat Steven Barnes vorsichtshalber einen Vorrat an Handtüchern angelegt. Gardinenblende, Sesselbezüge, Duschvorhang und Bettdecken sind aus technologischen Gründen komplizierter zu klauen. Sie greifen Motive von Garcias Bildern auf. Auf den Sesselbezügen tanzt, klapperdürr auf marineblauem Grund, die „Lady With Argyle Socks“, und auch auf den pompösen Tischlampen schwimmt der miesepetrige Fisch. Nein, Jerry Garcia selbst ist noch nicht im Beverly Prescott erschienen, um sein Patenkind zu begutachten, so Steven Barnes. Statt sich bei der Eröffnung einen Champagner-Arm zu holen, tauchte Garcia lieber in der Karibik. Kunst, so bekannte er kürzlich, sondere er ab wie Schweiß, und wenn sie einmal weggegeben sei, tja, dann eben „Tschüß“. Schöpfertum muß genügen, arrangieren sollen gefälligst die anderen. Mr. Garcia, so der smarte Mr. Barnes, werde aber mit Sicherheit für die nächsten Monate erwartet, um eine Wand der Suite zu signieren, wie er es schon im San Francisco Triton getan hat. Aha, die lachsrosa-weiße Blockstreifentapete, auf der seine Werke hängen, hat Jerry Garcia also nicht gesehen. Sie stammt von der Nobeldesignerin des Bel Air und harmoniert vorzüglich mit dem cremefarbenen Sofa und den cremefarbenen Rohseidevorhängen. Insgesamt bildet die Suite ein Ensemble aus gepflegtem Acid-Rokoko, Tee-Salon und Anwaltskanzleimahagoni. Betuchte Deadheads und Unterhaltungsindustrielle lieben das, obwohl die Minibar kein „Cherry Gracia“-Eis enthält und man auch die Grateful Dead-CD für die Stereoanlage selbst mitbringen muß. Offenbar, wie der kühne Mustermix, ein verzeihliches Stilvergehen. Nora Sage, die Kunstagentin von Garcia, wird demnächst gleich zwei Jerry-Garcia- Suiten in Seattle bestücken dürfen. Sie werden etwas geräumiger ausfallen als die niedliche Kammer im Beverly Prescott. Und wer zwar über die nötige Kohle verfügt, den alten Untoten aber nicht mag, kann schließlich anderswo übernachten. Zum Beispiel im neu eröffneten Hard Rock Hotel von Las Vegas. Oder in Toronto. Dort soll es eine John Lennon/Yoko Ono- Suite geben. Anke Westphal

Kontakt: Beverly Prescott Hotel, Beverwil Drive at Rodeo Drive, Los Angeles CA 900 35,

Tel. 001-310-277-2800,

Fax. 001-310-203-9537