Geschlossene offene Liste bei der PDS

■ Harter Kampf um Mandate für das Abgeordnetenhaus Kritiker des unbedingten Oppositionskurses an Rand gedrängt

Über 90 Bewerber wollen bei den Wahlen im Oktober für die PDS ins Abgeordnetenhaus einziehen. Das Gedränge um die aussichtsreichen Plätze ist groß. Heute abend will der Landesvorstand für die ersten zehn Plätze der Landesliste ein Empfehlung abgeben. Am Wochenende wird ein Landesparteitag die Landesliste aufstellen. Als einer der ersten hat Hans Modrow jetzt resigniert. Der letzte Ministerpräsident der DDR und PDS-Ehrenvorsitzende zog seine Bewerbung zurück, nachdem der Landesvorstand und die Bezirksvorsitzenden einmütig gegen dessen Kandidatur votiert hatten.

An der Berliner PDS-Spitze wird befürchtet, der in der Partei einflußreiche Modrow könnte ihren politischen Kurs torpedieren. Darüber hinaus steht im Oktober die Neuauflage des Dresdner Wahlfälschungsprozesses ins Haus, und dieses Wahlkampfthema möchten sich die demokratischen Sozialisten gerne ersparen. Doch die Debatte über den Oppositionskurs der Berliner PDS hat der Abservierte neu eröffnet. „Die notwendigen inhaltlichen Auseinandersetzungen über Wahlaussagen der Berliner PDS sollen nicht von einer kontraproduktiven Personaldebatte überlagert werden“, schrieb Modrow in einem Brief an den Landesvorstand.

Nach Auffassung der ehemaligen Fraktionsvorsitzenden der PDS im Abgeordnetenhaus, Gesine Lötzsch, sind die Wahlaussagen zum strategischen Oppositionsverständnis der Berliner PDS an der Parteibasis nicht mehrheitsfähig. Vor allem über das Konzept der bedingungslosen Tolerierung, das den Freibrief für den Landeshaushalt einschließe, gäbe es auf dem Parteitag noch „erheblichen Diskussionsbedarf“.

Zwar will die PDS wieder mit einer offenen Liste für das Abgeordnetenhaus kandidieren, doch in der parteiinternen Hackordnung haben sich Partei und Fraktion die besseren Plätze gesichert. Auf Platz eins der Landesliste will die Vorsitzende Petra Pau kandidieren, Platz zwei bis vier der Vorschlagsliste wollen sich bisherige Fraktionsmitglieder sichern. Erster Neuzugang aus Bürgerinitiativen soll auf Platz sechs der Landesliste Bernd Holtfreter werden. Holtfreter ist Sprecher der Mieter- Initiative „Wir bleiben alle!“ (WBA) aus Prenzlauer Berg.

Die Kritiker des strategischen Oppositionskurses werden in dem Vorschlag des Landesvorstandes nicht berücksichtigt, und auch die Bezirkspolitiker, darunter 26 PDS- Stadträte, wurden übergangen. Doch die eigene Basis könnte der PDS-Führung noch einen Strich durch die Rechnung machen. Wiederholt die PDS ihr Bundestagswahlergebnis, dann kann sie mit 22 oder 23 Mandaten rechnen, davon wären 17 oder 19 Direktmandate. Nur fünf oder sechs PDS-Mandate würden über die Landesliste vergeben. Petra Pau hofft, die Kandidaten des Landesvorstandes auch durch sichere Wahlkreise absichern zu können, aber auch das Gedränge um die Direktkandidaturen ist groß. In Lichtenberg etwa gibt es für die drei Wahlkreise, die fest in der Hand der PDS sind, 13 Bewerber – darunter Rechtsanwalt Johannes Eisenberg, Justitiar und Aufsichtsrat der taz. Christoph Seils