Atomobilindustrie hält Dieselruß für unschädlich

■ Das Umweltbundesamt wundert sich: Krebsgefahr ist eindeutig nachgewiesen

Berlin (taz) – Das Berliner Umweltbundesamt (UBA) hält Dieselruß nach wie vor für krebserregend, anderslautende Wissenschaftlerauskünfte seien Quatsch. Nachdem vor einigen Wochen der Arbeitsmediziner Hugo Rüdiger (Universität Wien) auf einer Veranstaltung des Verbands der Deutschen Automobilindustrie (VDA) gesagt hatte, daß das krebserregende Potential von Dieselruß nicht nachgewiesen sei und nach neueren Studien sogar „als unwahrscheinlich zu gelten hat“, strengte das Amt eigene Nachforschungen an.

Ergebnis: Es gibt keine neue Studie, die Rüdigers Entwarnung rechtfertigen würde. Auch der Wiener Professor habe auf Nachfragen eingeräumt, über keine neuen Studienergebnisse zu verfügen. „Wir haben uns bemüht um Rüdigers Text, es gibt keine neue Studie“, sagt Axel Friedrich, zuständiger Abteilungsleiter im UBA. Auch der Einwurf, Dieselruß habe bei Hamstern keinen Krebs ausgelöst und könne deswegen gar nicht als krebserregend eingestuft werden, zieht für Friedrich nicht. „Hamster sind auch gegen Zigarettenrauch unempfindlich, sie sind in dieser Frage die falschen Versuchstiere.“ Dieselruß habe nämlich bei den für solche Versuche besser geeigneten Ratten Lungentumore verursacht, so Friedrich. Zudem, so das UBA in einer gestern veröffentlichten Erklärung, habe Dieselruß in Kombination mit anderen Schadstoffen selbst bei Hamstern Krebs im oberen Atemtrakt ausgelöst.

Die Ergebnisse der Tierversuche stimmten überein mit epidemiologischen Untersuchungen bei Bus- oder Lkw-Fahrern und anderen beruflich einer höheren Belastung durch Dieselruß Ausgesetzten. Beim Vergleich der krebserzeugenden Wirkung ihrer Abgase zeigten Dieselmotoren „ein dreizehnmal höheres Wirkungspotential“ als Ottomotoren.

Professor Rüdiger war vor drei Jahren von der Universität Hamburg nach Wien berufen worden. Er hatte zuvor in der Arbeitsmedizin der Uni Hamburg gearbeitet, die für ihre zurückhaltende Bewertung toxikologischer Probleme bekannt ist. Auch unter Kollegen hat sich Rüdiger mit seiner Stellungnahme isoliert. Die zuständige Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe (kurz MAK-Kommission) wollte sich der Entwarnung von Rüdiger jedenfalls nicht anschließen. Es gebe derartige neue Erkenntnisse nicht, teilte MAK-Chef Professor Helmut Greim dem UBA mit. Auch Rüdiger ist Mitglied der MAK-Kommission. Hermann-Josef Tenhagen