Mit Schröder gegen Schröder

Streit um die am Samstag in Hannover geplante Großdemonstration gegen Atomkraft: BUND verurteilt Parolen gegen die SPD  ■ Aus Hannover Jürgen Voges

„Für die Stillegung der bundesdeutschen Atomanlagen demonstrieren wir am Samstag, und an parteipolitischen Grabenkämpfen haben wir keinerlei Interesse.“ So sagte es gestern Gerlinde Wiese für das Vorbereitungskomitee, das die bundesweite Anti-AKW-Demo am 13. Mai in Hannover organisiert. „Auf der Hauptkundgebung in der hannoverschen Innenstadt und auch auf den Auftaktkundgebungen werden keine Parteiredner zu Wort kommen.

„Die Anti-AKW-Bewegung, die Initiativen – vor allem von den Standorten von Atomanlagen – werden ihr Anliegen selbst vertreten“, stellt die Sprecherin des Komitees fest. Indirekt antwortete sie damit auf Kritik aus Kreisen der SPD und des BUND, die der Demonstration in Hannover eine einseitige Ausrichtung gegen die SPD vorgeworfen hatten.

Auf den Kundgebungen sollen die IPPNW, die „Internationalen Ärzte gegen den Atomkrieg“, die Gruppe Eurosolar und Peter Hennicke vom Wuppertal-Institut gnauso Redebeiträge halten wie die Initiativen von den Endlagerstandorten. Geladen sind etwa weiter ein Pastor und Vertreter der „Bäuerlichen Notgemeinschaft“ aus dem Landkreis Lüchow-Dannenberg, eine Gegnerin des Endlagers Morsleben, und für die Arbeitsgruppe „Schacht Konrad“ soll ein IG-Metall-Betriebsrat aus Salzgitter sprechen. „Wir wollen kein parteipolitisches rumgeeiere“, begründete Gerlinde Wiese gestern diese Auswahl. „Wir wollen einfach, daß die Bundesrepublik friedlich ohne Atomkraft in das dritte Jahrtausend geht.“

Die Atomenergie, fährt die Sprecherin fort, sei eben ein „menschheitsgeschichtlicher Irrtum“. Sie sei zum Zwecke der Aufrüstung zu Kriegszwecken entwickelt worden. Deswegen demonstriere man in Hannover auch gegen den Export von Atomtechnik und für die Ächtung aller Atomwaffen, nicht nur für „Stillegung“ und eine „Energiewende“.

Vor allem dieses letzte Stichwort schmerzt Stephan Kohler, den energiepolitischen Sprecher des BUND in Bonn, der auch zum Beraterkreis des niedersächsischen Ministerpräsidenten Gerhard Schröder zählt. „Energiewende“ ist der Titel für das Förderprogramm alternativer Energietechniken, das Teil des Schröderschen Konsenspakets ist. Obwohl in Hannover von vornherein eine Demo ohne und auch wohl gegen die Parteien geplant war, hatten Sozialdemokraten gedroht, ihre Unterschrift unter den Kundgebungsaufruf zurückzuziehen. Gut 30 SPD-Bundestagsabgeordnete verfaßten einen offenen Brief an das Vorbereitungskomitee, in dem sie monierten, der erste bundesweite Demo-Rundbrief richte sich vor allem gegen die SPD. Gerhard Schröder werde darin als „Schlüsselfigur im Atom-Deal zwischen Bundesregierung und SPD“ hingestellt. Nachdem eine Reihe dieser Abgeordneten sich auch beim BUND in Bonn beschwert hatten, sah sich BUND-Bundesgeschäftsführer Onno Poppinga zu einem Brief an das Demo-Vorbereitungskomitee veranlaßt, in dem er ebenfalls parteipolitische Neutralität einforderte.

Der BUND Niedersachsen hatte die Demo-Vorbereitungen von Anfang an unterstützt und dem Komitee auch die nötigen Räume in Hannover zur Verfügung gestellt – Streit mit ihrem Bonner Experten hatten die Niedersachsen schon in der Frage der Windkraftanlagen.

Inzwischen bemühen sich beide Seiten um gemäßigte Tonlagen. Gerlinde Wiese betonte gestern, daß die Demo in Hannover keineswegs einseitig gegen die SPD gerichtet sei, natürlich richte sich der Protest vor allem auch gegen die Politik der Bundesregierung und die sie tragenden Parteien und nicht zuletzt gegen Bundesumweltministerin Angela Merkel. Und Stephan Kohler versichert: „Es ist außerordentlich wichtig, daß möglichst viele am Samstag nach Hannover kommen.“ Die Stärke der Anti-AKW-Bewegung sei schon immer ihre parteipolitische Unabhängigkeit gewesen, meint der BUND-Sprecher – und hält damit eine Hintertür für den Kurs Schröders offen: Dabei müsse es aber auch bleiben.