Lancierter Volksverhetzer

■ Ultrarechter annonciert in der „FAZ“ und empfiehlt sich als lettischer Präsident

Berlin (taz) – Für knallige Annoncen ist die FAZ nicht gerade berühmt. Die Anzeige, die vorgestern auf Seite 6 erschien, ist ungewöhnlich – zumal sie von einem bekannten Rechtsradikalen stammt. Mit einem „Kurz-Steckbrief“ stellt er sich vor, Joachim Siegerist, 48, „in Deutschland geboren, christlich, sozial, klar konservativ“. In Hamburg wegen Volksverhetzung und Aufstachelung zu 18 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt, empfiehlt sich Siegerist vollmundig als künftiger lettischer Staatspräsident. Über sechs Spalten preist er die Vorzüge des Landes für deutsche Investoren. Steuervorteile, eine „Anti-Korruptions-Polizei“, eine stabile Währung – der deutsche Landesfürst in spe schwelgt ungeniert in Allmachtsphantasien: „Zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften wird es bei mir keinen Kampf geben.“ „Im Moment verdient ein lettischer Arbeitnehmer keine 10 Prozent dessen, was ein deutscher Arbeiter in der Tasche hat. Das ist gut so.“

Bei der FAZ ist Siegerist kein Unbekannter. Doch Anzeigenleiter Wolf-Dieter Auerbach kam es nicht in den Sinn, auf die ultrarechte Annonce zu verzichten. „Der Inhalt der Anzeige verstößt nicht gegen geltendes Recht“, sagt er. Immerhin bringt sie dem Verlag 24.752 Mark ein. Daß Siegerist wegen Volksverhetzung verurteilt wurde, sei ihm nicht bekannt. „Für mich ist nur der Anzeigentext entscheidend.“ Sicherlich weiß Auerbach, daß Anzeigen auch politische Haltungen von Zeitungen transportieren, aber „ach Gott, darüber kann man endlos diskutieren“.

Vor mehr als zwei Jahren startete Siegerist seine Hetzkampagne. In Rigas Tageszeitung verkündete er, er hasse die Kommunisten, sie wollten Lettland in eine „tiefe Misere“ stürzen. Geschickt spielt der Politimport aus Hamburg die Rolle des Demagogen, Geschäftsmanns und Samariters. An die Landbevölkerung verteilt er Medikamente und gründet „Sorgenbüros“. Wer seine Hilfe annimmt, erhält eine Beitrittserklärung für seine neugegründete Bewegung „Für Lettland“. Die Deutsche Botschaft schweigt hartnäckig zu den Aktivitäten des Neonazis, dessen doppelte Staatsangehörigkeit zweifelhaft bleibt. Beobachter in Riga sehen ihn im Herbst nach den Wahlen erneut ins Parlament einziehen. Sie sagen Siegerist zehn Prozent der Stimmen voraus. Ob sich die erhofften Investitionen aus Deutschland einfinden, ist ungewiß. Nein, es habe sich noch niemand auf die FAZ-Anzeige gemeldet, hieß es in Siegerists Hamburger Büro. Dennoch seien die knapp 25.000 Mark nicht in den Sand gesetzt. Woher das Geld kommt? Darüber schweigt Siegerist sich lieber aus. Vielleicht sind es alte Kontakte zur „Konservativen Aktion“. Seinerzeit inszenierte er dort Spektakel zur Freilassung von Rudolf Heß. Annette Rogalla