■ Die Bündnisgrünen und die PDS
: Roter Oktober?

„Nach dem 22. Oktober sehen wir weiter“ – so könnte die Überschrift über dem neuen Antrag der Bündnisgrünen lauten, mit dem Gegner und Befürworter einer PDS-Tolerierung ihren Burgfrieden geschlossen haben. Das beiderseits taktisch inspirierte Papier, über das die Mitglieder in gut zwei Wochen entscheiden sollen, befreit die Partei vor weiteren quälenden Debatten über die Rolle, die die PDS als Königsmacher einer rot-grünen Minderheitsregierung spielen könnte. Das Problem wird jedoch nur verschoben: in Richtung SPD. Dort hat sich – bislang – eine Mehrheit klar gegen jedwede Form der Zusammenarbeit mit der PDS gesperrt. Glaubt man den Umfragen, so glaubt auch nicht der allergrößte grüne Optimist an eine Mehrheit für Rot-Grün.

Der Antrag entspricht der Mattigkeit, unter der die politische Debatte in der Stadt leidet. Der Spielraum für Reformpolitik endet dort, wo die Demagogie des politischen Gegners beginnt. Jeder Schwenk hin zu der PDS hätte für die Bündnisgrünen die Zementierung der Großen Koalition bedeutet. Nun also hofft man auf die Entscheidung der Wähler und auf das Einknicken der SPD. Angenommen, in der Wahlnacht käme es zu einem ordentlichen Ergebnis für eine rot-grüne Minderheitsregierung – wer böte heute die Garantie dafür, daß nicht auch bei den Sozialdemokraten das Erinnerungsvermögen an einst eherne Abgrenzungsbeschlüsse gegenüber der PDS schnell verblaßte?

Mit den Versprechungen in der Politik ist es wie mit den Treueschwüren von Liebespaaren: Je häufiger sie wiederholt werden, um so mehr nutzen sie sich ab. Insofern ist der Antrag so klug austariert, wie es die derzeitigen Umstände eben zulassen. Theoretische Denkmodelle eignen sich vortrefflich, um die innerparteilichen Kräfteverhältnisse vor der Wahl auszuloten. Entscheidungen fallen dann, wenn sie anstehen. In Berlin am 22. Oktober, nach den ersten Hochrechnungen. Severin Weiland