"Die Kroaten sind für diese Offensive"

■ Die kroatische Offensive gegen die Krajina-Serben zeigt, daß der serbische und der kroatische Präsident sich über eine Teilung Bosniens verständigt haben - meint Zarko Puhovski,...

taz: Zum erstenmal seit 1991 sind in Zagreb wieder Granaten gefallen. Wie ist die Stimmung in der Bevölkerung?

Zarko Puhovski: Die Menschen sind überrascht und ängstlich. Denn die Propaganda von Präsident Tudjman versuchte den Eindruck zu vermitteln, daß die Serben zu diesem Angriff nicht in der Lage sind. Demonstrativ spazierte Tudjman gestern vormittag durch die Innenstadt Zagrebs. Jetzt aber haben wir sechs Tote.

Die Bevölkerung kritisiert also die Offensive?

Nein, das nicht. Nahezu die ganze Bevölkerung unterstützt sie. Die Mehrheit wünscht sich sogar einen Angriff auch auf die anderen besetzten Gebiete. Aber man hat eben nicht mit einem Gegenschlag der Serben gerechnet.

Erwarten Sie einen größeren serbisch-kroatischen Krieg?

Nein. Der serbische und der kroatische Präsident haben eine Übereinkunft getroffen, vielleicht sogar einen Vertrag geschlossen, Bosnien unter sich aufzuteilen. Die Kroaten werden die bosnische Regierungsarmee also nicht unterstützen. Das zeigt sich im Moment auch daran, daß sie versuchen, die einzige noch existierende Brücke über die Save zu zerstören. Diese Brücke ist jedoch nötig, um die Serben in Bosnien anzugreifen.

Bei uns wird der Angriff auf die Brücke jedoch als Versuch der Kroaten interpretiert, den serbischen Nachschub zu unterbrechen.

Dazu müßte die kroatische Armee die Brücke jedoch nicht aus der Luft bombardieren. Ihre Soldaten stehen nur wenige Kilometer entfernt. Sie könnten sie also erobern. Die kraotisch-serbische Übereinkunft zeigt sich auch darin, daß es bisher keine scharfen Reaktionen aus Belgrad gab. In der Hauptnachrichtensendung des Fernsehens wurde erst nach 20 Minuten über die Offensive berichtet. Und es gab auch fast keine Reaktion von den Serben aus Bosnien.

Aber Karadžić hat gedroht, Kroatien anzugreifen.

Aber die bosnischen Serben haben nichts getan, obwohl sie von Kroatien aus beschossen wurden. Ging es also nur um die Aufhebung der serbischen Blockade der Autobahn Zagreb – Belgrad?

Zagreb und Belgrad, aber auch die internationale Gemeinschaft haben ein Interesse an der Autobahn, denn sie verbindet Zentral- mit Südosteuropa. Wenn Milošević jetzt nicht gegen die kroatische Offensive protestiert, sammelt er Punkte für die Aufhebung des UN- Embargos. Zugleich ist die Offensive zur Öffnung der Autobahn aber nur der erste Schritt. Danach wird die kroatische Armee versuchen, auch die anderen von den Serben besetzten Gebiete des Landes zurückzuerobern. Eine Ausnahme ist allein das Gebiet um Vukovar, denn dieses liegt zum einen zu nahe an Belgrad. Zum anderen ist es eines der reichsten Gebiete Ex-Jugoslawiens. Hierauf wird Belgrad also nicht verzichten.

Bisher sah es in Kraotien eher nach Entspannung aus. Zagreb einigte sich mit der UNO über die Verlängerung des UN-Mandats.

Ja, wegen dieser Einigung hat Tudjman im Ausland momentan ein gutes Image und daher auch Handlungsspielraum für diese Offensive. Andererseits wurde ihm in Kroatien vorgeworfen, zu nachgiebig gegen die UNO gewesen zu sein. Daher muß er mit der Offensive die Nationalisten beruhigen.

Gibt es in Kroatien noch Gruppen, die gegen die serbisch-kroatische Teilung Bosniens sind?

Ja, aber nicht im Parlament. Denn dort ist die Opposition noch radikaler als Tudjman. Tudjman- Kritiker finden sich bei den „Unabhängigen Demokraten“ um den früheren jugsolawischen Staatspräsidenten Stipe Mesić. Wenn es keine neuen serbischen Angriffe gibt, wird es keinen Protest gegen Tudjman geben. Es wird heißen: Wir haben ein Gebiet befreit, dafür waren eben Opfer nötig. Interview: Sabine Herre