Jedem seinen Auftritt

■ Der 1. Mai: Alle sind für ganz viel Arbeit, aber marschieren ist out

Berlin (taz) – Der 1. Mai ist zwar schon seit 100 Jahren der „Tag der Arbeit“. Gestern jedoch hatte er sich endgültig zum Mahntag gegen die Arbeitslosigkeit gewandelt. Am reformerischsten gab sich Dieter Schulte bei der DGB- Hauptkundgebung in Köln. Die Gewerkschaften seien bereit, ohne Tabus über das Teilen von Arbeit zu reden. „Doch „Arbeitszeitverkürzung bedeutet Einkommensverzicht!“ rief Schulte vor 5.000 Zuhörern. Der IG-Metall-Vorsitzende Klaus Zwickel wiederholte dagegen in Schweinfurt Traditionelles: „Ohne Arbeit für alle geht diese Gesellschaft vor die Hunde.“

Bundesarbeitsminister Norbert Blüm (CDU) mahnte in Münster: „Das Heuern und Feuern von Arbeitnehmern paßt nicht in unsere Sozialkultur.“ Der SPD-Bundesvorsitzende Scharping machte in Bergkamen-Oberaden die Bundesregierung für die hohe Arbeitslosigkeit verantwortlich. Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt (FDP) kritisierte hingegen die Gewerkschaften. Zur Schaffung neuer Jobs seien „Tatkraft und Optimismus nötig“, nicht „Resignation und Larmoyanz.

Die ehemalige ÖTV-Vorsitzende und heutige EU-Kommissarin Monika Wulf-Matthies gab jenen Absolution, die sich nicht zur 1.-Mai-Demo eingefunden hatten. „Der Tag der Arbeit ist zeitgemäß, die Art, wie wir ihn begehen, da müssen wir uns schon anpassen an die Erwartungen der Menschen“, so Wulf-Matthies im „Deutschlandradio“. Nicht jeder Arbeitnehmer, der bereit sei, für Arbeitnehmerrechte zu streiten, müsse deshalb am 1. Mai unbedingt marschieren. Der 1. Mai wird seit über 100 Jahren von den Gewerkschaften begangen. Erstmals gingen Arbeiter am 1. Mai 1890 massenhaft auf die Straßen, um gegen soziale und politische Benachteiligung zu demonstrieren.