Erfolgreiche Klage

■ Verfassunsgericht: Loyalität gegenüber DDR kein Kündigungsgrund

Karlsruhe (AFP) – Die Kündigung eines Berliner Polizisten wegen dessen Vergangenheit als hauptamtlicher SED-Parteisekretär verstößt gegen das Grundgesetz.

Dies entschied das Bundesverfassungsgericht (BVG) in einem gestern in Karlsruhe veröffentlichten Beschluß. Nach Auffassung der Richter ist der im Einigungsvertrag geregelte „Sonderkündigungstatbestand wegen mangelnder persönlicher Eignung“ für ehemalige Beschäftigte des öffentlichen Dienstes der DDR zwar rechtens. Derartige Kündigungen dürften jedoch nicht ausgesprochen werden, wenn sie allein mit dem Verhalten des Betroffenen vor dem Beitritt begründet werden. (Aktenzeichen: 1 BvR 1397/93)

Weil die Kündigungsregelung des Einigungsvertrages für „schwere Verstrickungen in das SED-Regime“ vorgesehen sei und ansonsten auf eine „weitgehende Integration“ der ehemaligen DDR-Bediensteten ziele, könnten nur „besondere Umstände“ eine Kündigung rechtfertigen, heißt es in dem Beschluß.

Jetzt muß das Landesarbeitsgericht erneut über die Kündigungsschutzklage des Polizisten entscheiden.

Allein in Berlin wurden über 11.000 Mitarbeiter der Volkspolizei übernommen und bis Anfang 1992 in 1.133 Fällen Kündigungsempfehlungen wegen mangelnder persönlicher Eignung ausgesprochen. Der Beamte war zu DDR- Zeiten Hauptmann der Volkspolizei und von 1976 bis 1989 Parteisekretär der Sozialistischen Einheitspartei.

In verschiedenen Beurteilungen wurde er als linientreuer Kader und prinipienfester Genosse bezeichnet.

Nach der Wende wurde der Polizist übernommen und für die Eingliederung der DDR-Polizeitruppen eingesetzt. In einem Zeugnis bescheinigten ihm seine Vorgesetzten zwar gute bis sehr gute Arbeit und erklärten, daß er seine „Hinwendung zur freiheitlich demokratischen Grundordnung zu keinem Zeitpunkt in Frage gestellt“ habe. Das Land Berlin kündigte dem Polizisten aber wegen mangelnder Eignung und verwies dabei auf seine politische Vergangenheit.

Das Bundesverfassungsgericht betonte, daß sich die innere Einstellung von Menschen ändern kann und deren Entwicklung nach der Wende bei der Enscheidung über die Kündigung „nicht ausgeblendet“ werden dürfe. Auch die gegenüber dem früheren Arbeitgeber gezeigte Loyalität und Kooperation sowie das Bekenntnis zur sozialistischen Gesellschaftsordnung und zu den Zielen der SED reichen dem Verfassungsgericht zufolge nicht für eine Kündigung, wenn diese Loyalität für den „Verbleib und den Aufstieg“ im dortigen öffentlichen Dienst notwendig gewesen war.