■ Das Studentenwerk baut ab
: Instrument der Politik

Das Studentenwerk organisiert die Mensen, verwaltet die Wohnheime, teilt Bafög zu und unterhält eine Reihe von Beratungsdiensten rund um das Studium. Und es gerät in letzter Zeit immer häufiger ins Blickfeld: Überzogene Mieten für Wohnheime, Benachteiligung Alleinerziehender, Umlage der Kosten für Renovierungen im Osten auf Mieter im Westen. Gute Gründe, sich einmal näher anzuschauen, wer oder was hinter dem Studentenwerk steht.

Anders als der Name vermuten läßt, handelt es sich nicht um eine Einrichtung der studentischen Selbstverwaltung. In der Nachkriegszeit als studentische Initiative entstanden, entwickelte sich das Studentenwerk in kürzester Zeit zu einer dem Senat unterstellten Verwaltungseinrichtung. Heute ist das Studentenwerk Berlin ein Apparat mit rund 1.000 Beschäftigten und einer Bilanzsumme von 180 Millionen Mark. Als der Politik unterstelltes Organ war das Studentenwerk schon immer ein Instrument, um Bildungspolitik – mindestens – mitzugestalten. In den siebziger Jahren hieß das die Umsetzung der Bildungsreform durch die Absicherung der notwendigen Rahmenbedingungen: das Bafög, die Mensen, Wohnheime. So ist die derzeitige grundlegende Veränderung der Bildungspolitik begleitet von Einschnitten in die Arbeit des Studentenwerkes, die in der Öffentlichkeit weitestgehend unbemerkt bleiben: Im Verwaltungsrat – dem höchsten Beschlußorgan – haben die Vertreter des Senats mit sechs zu fünf weiteren Stimmen (vier Studierende, einE BeschäftigtenvertreterIn) immer eine qualifizierte Mehrheit. Damit kann der Wissenschaftssenator auf der einen Seite die Ineffizienz des Studiums beklagen und auf der anderen im Verwaltungsrat die sozialen Bedingungen des Studiums konkret verschlechtern – und damit die Voraussetzungen, das Studium in dem dafür vorgesehenen Zeitraum abzuschließen.

Der Kreis der Betroffenen eröffnet bereits den Blick auf eine der Intentionen dieser Senatspolitik: Alleinerziehende, AusländerInnen, sozial schlechter gestellte Bevölkerungsgruppen sind zum Beispiel durch überhöhte Wohnheimmieten (bis zu 500 Mark für ein Zimmer von 20 Quadratmetern) gezwungen, neben dem Studium zu arbeiten. Und das offensichtlich nicht, weil sie Luxusstudierende sind. Es wird Menschen bereits heute erschwert, ihr Studium erfolgreich zu Ende zu bringen. Bald werden sie es sich nicht mehr leisten können, es überhaupt zu beginnen.

Ein weiterer wichtiger Aspekt betrifft die politische Entwicklung des sozialstaatlich stabilisierten Kapitalismus. Es geht schließlich nicht vornehmlich darum, das Studium als solches abzuschaffen. Aber das staatlich ermöglichte und teilweise finanzierte Studium soll abgelöst werden durch eine eng betrieblich angebundene Ausbildung. Diese ist dann schneller an neue Entwicklungen im Arbeitsprozeß anzupassen – auf Kosten der Arbeitnehmer. Der Druck wird wachsen, bei gleichzeitiger Verschlechterung der Ausbildung – dem „Studium light“ – trotzdem auf die neue Anforderung zu reagieren. Anderenfalls steht bereits die nächste Generation aus der betrieblichen Ausbildung bereit. Die bisher im Sozialstaat – in diesem Fall: im Studentenwerk – gebundenen Mittel könnten dann zur Sicherung des „Standortes“ Deutschland investiert werden.

Noch aber umfaßt das Studentenwerk die Angebote der ehemaligen studentischen Selbsthilfeorganisation, die sich die Studierenden nutzbar machen können: Neben der Arbeitsvermittlung – Heinzelmännchen an der FU und Tusma an der TU – den Beratungsdienst, eine Kindertagesstätte, Schwangerschaftsberatung. Daneben solltet ihr auf die Unterstützung des AStA eurer Universität zurückgreifen. In Konfliktfällen können diese zum Beispiel eure Position bei der Bafög-Vergabe besser vertreten.

Nicht zuletzt wird die weitere Politik des Studentenwerkes und damit die Sicherung der sozialen Angebote bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus im Herbst entschieden. Oliver Decker

Der Autor ist Sozialreferent im FU-Asta und Vorstandsmitglied beim Studentenwerk.