Von Geldkoffern und Waffendeals

■ Oberstaatsanwalt äußerte Zweifel an Barschel-Selbstmord/ Recherchen bei „Monitor“ zu Waffengeschäften

Kiel (taz) – Der Vorsitzende des Kieler Schubladenausschusses, Heinz Werner Arens (SPD), zeigte sich gestern verwundert. Hatte doch der Lübecker Oberstaatsanwalt Heinrich Wille im Falle Barschel Erstaunliches geäußert. Wille hatte im Fernsehmagazin Monitor erklärt, daß doch mehr für einen Mord als für den Selbstmord Uwe Barschels spreche. Als „Geschichte aus der Räuberpistole“ bewertete auch der CDU-Obmann im Ausschuß, Thorsten Geißler, die vorgestern veröffentlichten Recherchen des WDR-Magazins: Laut denen soll der ehemalige schleswig-holsteinische Ministerpräsident nun doch in Waffengeschäfte verwickelt gewesen sein.

Monitor fand nach eigenen Angaben in Moskau eine Akte über Uwe Barschel, die der militärische Geheimdienst GRU der ehemaligen Sowjetunion über den CDU- Politiker angelegt haben soll. Den Unterlagen zufolge habe sich Barschel unter dem Decknamen „Graf“ erstmals 1979 mit einem Vertreter der Waffenaußenhandelsfirma des sowjetischen Verteidigungsministeriums getroffen. In diesem Jahr war Barschel erst CDU-Fraktionsvorsitzender im Kieler Landtag, dann wurde er Finanzminister, später Innenminister. Am 11. Oktober 1987 wurde Barschel tot in einer Badewanne im Genfer Hotel Beau Rivage aufgefunden.

Kenner der Kieler Landespolitik bezweifeln, daß ein frischernannter Minister im Nebenjob heimlich Waffengeschäfte eingefädelt hat. Ebenso scheint es vielen Beobachtern unwahrscheinlich, daß am 6. Juni 1984 ein Ministerpräsident, der gerade zwei Jahre im Amt war, mit einem Koffer voll Geld in die DDR reiste. Die DDR sollte angeblich von dem Geld Hochtechnologie im Westen kaufen und im Gegenzug Waffen an Dritte-Welt-Staaten liefern. Der CDU-Politiker soll sich laut Monitor damals mit dem mutmaßlichen DDR-Waffen- und High-Tech- Händler Hans-Werner Welp in Potsdam getroffen haben. Nach Darstellung eines Mitarbeiters von Welp habe Barschel dem Händler Bargeld in Höhe einer Millionensumme und eine Liste mit Aufträgen im konventionellen Waffenbereich übergeben.

Dem Kieler Untersuchungsausschuß sind jedenfalls Unterlagen mit Hinweisen auf eine Verstrickung Barschels in Waffengeschäfte mit Beteiligung der Sowjetunion nicht bekannt. „Für mich ist das bisher eine Meldung ohne jeden Beleg, wir werden uns das in Ruhe angucken, ob daran etwas ist“, erklärte Ausschußvorsitzender Heinz Werner Arens. So schnell wie möglich soll auch Oberstaatsanwalt Wille dem Ausschuß über seinen neuen Informationsstand berichten.

Wille, der zur Zeit in Urlaub und nicht erreichbar ist, war von Monitor mit den Worten zitiert worden: „Es spricht insgesamt gesehen mehr für Mord als für Selbstmord.“ Es gebe sehr viel, was hier noch aufzuklären sei. Ein Motiv für einen möglichen Mord sieht Wille nach Angaben des Fernsehmagazins „am ehesten im Bereich des ehemaligen Embargo-Handels“. Dabei gehe es um sehr viel Geld und um sehr handfeste Interessen.

Wille soll in der nächsten Woche auch dem Justizminister Bericht erstatten. Aus gut informierten Kreisen verlautete, daß auch das Ministerium überrascht war über die Äußerungen des Oberstaatsanwaltes. Das Gespräch mit dem Justizminister sei schon vor Ostern aus anderem Anlaß vereinbart worden, erklärte eine Ministeriumssprecherin. Kersten Kampe