Vor dem Kloster den Bischof entführt

■ Heftiger Kirchenstreit spaltet Mostars Katholiken / Nationalisten rebellieren

Split (taz) – In der von muslimischen Bosniern und katholischen Kroaten bewohnten Stadt Mostar droht pünktlich zu Ostern ein Kirchenkampf – zwischen Katholiken. „Wir werden am Ostersonntag das Portal des Domes von Mostar zumauern“, drohen katholische Gläubige: Sie wollen so gegen ihren eigenen Bischof Ratko Peric protestieren. Und damit nicht genug: „Wenn die unsere Franziskaner nicht mehr predigen lassen, gibt es hier noch einen regelrechten Aufstand“, drohten Sprecher der Aufmüpfigen an.

Mitte der vergangenen Woche hatte nämlich der Bischof von Mostar verfügt, der in der Stadt wirkende Franziskanerorden sei nicht mehr befugt, eigene Kirchensprengel zu betreuen. Die Mönche sollten durch „normale“ Priester ersetzt werden, erklärte der Bischof auf Geheiß des Papstes. Aufgebrachte Gläubige entführten sogleich den Bischof und hielten ihn über acht Stunden lang in seinem Auto fest, und das direkt vor dem Portal des Franziskanerklosters. Indem sich bei den Mönchen keine Hand für den Bischof regte, zeigten sie ihre offene Sympathie für die Aktion. Erst als der kroatische Verteidigungsminister und „starke Mann“ der Westherzegowina, Gojko Susak, auf der Szene erschien, entspannte sich die Lage. Dem Bischof wurde erlaubt, in das benachbarte Kroatien, nach Zagreb, zu fliehen.

Mit Susaks Auftritt wurde etwas von dem politischen Hintergrund des Vorgangs deutlich. Denn das Selbstverständnis der westherzegowinisch-kroatischen Nationalisten war verletzt. Die Franziskaner von Mostar unterstützten in Koalition mit den kroatischen Extremisten von Beginn an den „Krieg im Kriege“ gegen die Muslime Bosniens. Und das führte sie nicht nur in einen scharfen Gegensatz zu der katholischen Kirchenhierarchie in Bosnien-Herzegowina, sondern auch zu ihren Ordensbrüdern in Zentralbosnien. Die Franziskaner dort treten nämlich für Toleranz zwischen den Nationen Bosnien- Herzegowinas ein.

So zeigt der Vorgang in Mostar, daß der Franziskanerorden in Bosnien-Herzegowina tief gespalten ist. Die Franziskaner in Mostar wollen wie die westherzegowinischen Radikalen die Westherzegowina mit Kroatien vereinigen, die zentralbosnischen Franziskaner treten im Einklang mit dem Kardinal von Sarajevo und dem Bischof von Mostar für die Einheit des Staates Bosnien-Herzegowina ein. Und die westerherzegowinischen Extremisten stehen fest zu „ihren“ Franziskanern. Dies sollten auch die Reporter der kroatischen Zeitung Feral Tribune erfahren: Als die Reporter des satirischen Renommierblattes über die Entführung des Bischofs recherchieren wollten, wurden sie von Polizisten zur Wache mitgenommen. Und obwohl sie über alle erdenklichen Presseausweise verfügten, wurden sie wegen „fehlender Arbeitserlaubnis“ mit Polizeigewalt aus Mostar und der Westherzegowina gewiesen. Daß die atheistischen Satiriker und Oppositionellen nun mit dem Bischof, dem Kardinal und sogar dem Papst in einem Boot zu sitzen scheinen, hat in der kroatischen demokratischen Öffentlichkeit für österliche Heiterkeit gesorgt. Erich Rathfelder